Kultur: Kindern kann man nichts vormachen Sinfoniekonzert I: „Bolero“ für Hörmäuse
„Klappe zu! Ohren auf!
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„Klappe zu! Ohren auf!“ steht als lustiges Signet auf den begehrten Luftballons für neugierige und musikbegeisterte Kinder, die seit dieser Saison bei kleinen Sinfoniekonzerten für Hörmäuse im Nikolaisaal klassische Meisterwerke kindgerecht kennen lernen können/sollen/wollen. Die entsprechenden Ohren (am papiernen Stirnreifen) gibt es am Bastelstand im Foyer. Am Samstag ist der große Saal von einer erwartungsfrohen Kinderschar besetzt. Nachdem die Musiker des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt auf den Beginn ihres nachmittäglichen „Dienstes“ warten (am Abend spielen sie hier das 3. Sinfoniekonzert, siehe Text unten), gehen wissbegierige Kulleraugen durch die Reihen. „Ist es schlimm, wenn ein Geiger fehlt?“ Der Sprössling gibt sich und seiner elterlichen Begleitung gleich selbst die Antwort: „Schlimmer, wenn der Dirigent fehlt!“
Natürlich ist er da, in Gestalt des Katalanen Manel Valdivieso. Zusammen mit dem RBB-Moderator Stephan Holzapfel, der den Zuhörern den „Bolero“ von Maurice Ravels nahebringen will. Zunächst fragt er: „Wer mag die Gitarre?“ – Viele Kinderhände heben sich. „Wer spielt Gitarre?“ – Nur noch wenige gehen in die Höhe. Und schon ist der Überraschungseinstieg in das „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo (1901-1999) gelungen, dessen ersten Satz der brasilianische Gitarrist Lucas Imbiriba ziemlich resolut zupft. Gebannt vorgebeugt verfolgen die Kleinen das musikalische Geschehen. Oder lehnen entspannt an mütterlicher Schulter. Wie unverkrampft sie doch die Musik aufnehmen können! Leider werden die leisen Passagen ziemlich spannungslos gespielt. Prompt lässt die Aufmerksamkeit nach. Kindern kann man so leicht nichts vormachen.
Es scheint, als sei dieser Auftritt den Künstlern nur eine Etüde für die abendliche Komplettaufführung gewesen. Mehr Einsatz zeigen sie dann beim „Bolero“. Auch hier gibt es zunächst eine Dia-Show, mit biografischem über den klein geratenen Komponisten, in dessen Haus die Türklinken niedriger angebracht waren und im Garten nur kleine Pflanzen wuchsen. Dann die unerlässliche Frage nach dem monotonen Rhythmus, den der Schlagzeuger 169-mal hintereinander trommeln muss. Wie ihn sich merken und nicht aus dem Takt kommen? „Man darf nicht dabei denken“, gibt der Staatsdrummer unumwunden zu. Und dann, toller Einfall, studiert der Moderator dem begeistert mitgehenden Publikum den Bolero-Rhythmus ein – mit Hilfe einer Eselsbrücke: „Klaus war eine Maus, lief durch das Haus und dann durch-die-Butter-den-Zucker, denn“ Nach nur wenigen Versuchen haben es alle schenkelschlagend intus. Ein vorgezeigtes Notenbild hilft dabei.
Auch das zweite, vom Orchester gespielte Rhythmusmodell ist auf ähnliche Weise („Stampf-Klatsch-Klatsch“) eingeübt. Hörproben einzelner Soloinstrumente wie Oboe d“amore, Sopransaxophon oder kleine Es-Klarinette beantworten die Frage: „Wer spielt welche Melodie?“ Und auch die Vor- und Verführung von sich mischenden Klangfarben wird nicht weniger plastisch vorgeführt. Da staunt auch der Erwachsene, während das Kind sich nur wundert. Längst haben diese ihre Stirnohren abgelegt, lauschen staunend dem Gesamtwerk, das sich zu fast unerträglicher Lautstärke steigert. Großer Jubel. „Wer fand es langweilig?“ Nur zwei Kinder melden sich. Alle anderen fanden es toll. Peter Buske
Peter Buske
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