Kultur: Klagende Humoristen
Das neue Buch von Jakob Hein und Jürgen Witte
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Über Humor zu reden kann bisweilen eine recht deprimierende Angelegenheit sein. Zwar bezeichnet Humor in erster Linie eine Haltung, aus der heraus man den Missgeschicken des Lebens mit heiterer Gelassenheit begegnet oder auch die Fähigkeit, über das als komisch Erkannte zu lachen. Doch wirklich erklären lässt sich Humor nicht. Die Analyse aber, ob und weshalb man über Ironie, Groteske oder einen Kalauer lacht, lässt rasch den Spaß der Trübsal weichen. Dessen bewusst sind sich auch Jakob Hein und Jürgen Witte, die seit Jahren auf der Berliner Lesebühne „Heim und Welt“ einem amüsierten Publikum ihre lustige Prosa vorlesen. Dass die beiden Autoren nun aber auch mit Texten über den Humor, seine Wesensart, seine Kulturgeschichte und sein bedauernswertes Schicksal ihre Gäste unterhalten können, bewiesen sie am Freitagabend in der Stadt- und Landesbibliothek.
„Geschichte einer Feindschaft“ haben Hein und Witte ihr neues Büchlein „Deutsche und Humor“ untertitelt. Dabei halten sie die Deutschen ganz und gar nicht für humorlos. Vielmehr beklagen sie hier lang und breit die permanente Nichtachtung, die humorvolle Kunst hierzulande seitens der Gremien des Literaturbetriebs und der Feuilletons erfährt, und betrauern, dass Humor stets nur Kleinkunst, aber keine Hochkultur sein darf. Wieso, fragen die Autoren in ihrem Buch, habe komische Literatur so gut wie keine Chance, den Deutschen Buchpreis oder den Büchnerpreis zu erhalten. Und so brüllend laut und theatralisch, wie Hein diese Zeilen vorliest, klingen sie plötzlich wie das Gezeter eines zu kurz Gekommenen. Doch soll das Buch ja keine Bettelschrift sein, sondern ein leidenschaftliches Plädoyer, humorvolle Kunst mehr zu würdigen und ihren Schöpfern endlich einen gebührenden Platz in der Kunstlandschaft einzuräumen. Jürgen Witte, der durch seinen etwas schulmeisterlich geratenen Text rast, als ginge es um sein Leben, weist darauf hin, dass der Humor, besonders seit der Antikerezeption der spaßfreien Weimarer Klassik und Goethes „Lachverbot“, stets als das Gegenteil von Ernsthaftigkeit missverstanden worden sei. Dabei sei das Schaffen humorvoller Werke meist alles andere als lustig und erfordere oft ein hohes Maß an Disziplin, wie das berühmte Beispiel Vicco von Bülow zeige. Solange aber hinter den Pforten der deutschen Hochkultur einer Kunst ihre Wertigkeit abgesprochen wird, weil man über sie lachen kann, werden weiterhin auch die gehaltvollen humoristischen Werke umgehend in der schier bodenlosen Comedy-Mülltonne oder in den Grabbelkisten der Bahnhofsbuchhandlungen landen. So mehr oder weniger berechtigt das Klagelied der beiden Humorexperten, so höflich am Ende das zustimmende Nicken.
Gern aber lacht man dann mit ihnen zusammen, als sie nach der Lesung noch ein Weilchen über Peer Steinbrücks Mittelfingergeste witzeln, die Witte für eine Retourkutsche auf Angela Merkels Handraute hält. Auch Heins Ratschlag, im Umgang mit Autoritäten immer den Narren zu spielen, da dieser nicht angegriffen werde, nehmen die Gäste unter viel Gelächter an. Kaum haben die beiden Humoristen also ihr Büchlein zur Seite gelegt, wirken sie unverkrampft, nehmen sich nicht mehr so ernst und stehen sogar kurz davor, über sich selbst zu lachen. Daniel Flügel
Jakob Hein, Jürgen Witte: „Deutsche und Humor. Geschichte einer Feindschaft.“, Verlag Galiani Berlin, August 2013, 168 Seiten, 16,99 Euro
Daniel Flügel
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