zum Hauptinhalt

Kultur: Klangbrei nicht zu erwarten

Bachtage Potsdam werden am Sonnabend mit Matthäus-Passion eröffnet

Stand:

Bachtage Potsdam werden am Sonnabend mit Matthäus-Passion eröffnet Die Matthäus-Passion ist ein Markstein innerhalb von Johann Sebastian Bachs Sakralwerken. Hinsichtlich ihrer äußeren Konditionen ist die Vertonung des Leidens und Sterbens Jesu Christi einen gewichtigen Schritt auf die Gattung Oper zugegangen. Und dies, obwohl Bachs Anstellungsvertrag als Thomaskantor einen delikaten Passus einschloss, der ihn ausdrücklich dazu verpflichtete, in „Beybehaltung guter Ordnung in denen Kirchen, die Music dergestalt einzurichten, dass sie nicht zu lang währen, auch also beschaffen seyn möge, damit sie nicht opernhafftig herauskomme. sondern die Zuhörer vielmehr zur Andacht aufmuntere.“ In der Tat bemängelte eine Zuhörerin nach der ersten Aufführung in der Leipziger Nikolaikirche (1727 oder 1729) – so ist es überliefert – das Opernmäßige der Komposition. Die Aufführung der Matthäus-Passion steht im Mittelpunkt der diesjährigen Bachtage Potsdam, die bereits zum vierten Mal vom Verein Musik an St. Nikolai e.V. veranstaltet werden. Auch diesmal muss das spätsommerliche Festival (11. bis 19. September) fast ohne städtische Förderung auskommen. Der Verein und sein künstlerischer Leiter, Kantor Björn O.Wiede, bemühen sich aber intensiv um Sponsoren auch außerhalb der Stadt. Rolls Royce beteiligt sich an den Bachtagen. 17 Veranstaltungen stehen 2004 auf dem Programm. Für sie hat Wiede Kirchen der Stadt und das IHK-Forum als Aufführungsorte ausgewählt. Bereits in dieser Woche finden zum zweiten Mal im Alten Rathaus Meiserkurse statt. Sie wollen die einstige Tradition der Sommerkurse im Marmorpalais vor dem Zweiten Weltkrieg wieder beleben. Die Workshops bestreiten der Gambist und Cellist Siegfried Pank sowie die Sopranistin Christine Wolff. Neun Teilnehmer haben sich einschreiben lassen, nicht übermäßig viel, dafür kann aber intensiv gearbeitet werden. Björn O. Wiede berichtet, dass einige Kursteilnemen des Gesangskurses kleine Partien in der Matthäus-Passion übernehmen. Die Bach’sche Passion wird am 11. September um 19 Uhr in der Babelsberger Friedrichskirche zur Aufführung gelangen. Björn O. Wiede will mit der bisherigen Aufführungspraxis, die Matthäus-Passion mit großem Chor und Orchester zu besetzen, brechen. Der doppelchörige Chor, der in der Passionsgeschichte als Hohepriester oder Volk mitwirkt, wird pro Part mit einer Stimme besetzt. Auch beim Orchester wird so verfahren. Die Sängerinnen und Sänger treten auch aus dem „Coro“ heraus um die Solopartien (Evangelist, Jesus, Pilatus oder Arien) zu gestalten. Wiede konnte für die Besetzung hervorragende Sängerinnen, Sänger und Instrumentalisten gewinnen. Er nennt sie The Essential Bach Choir. Nikolaus Harnoncourt, der als Dirigent mit Kammerchören und- orchestern die Passionsmusik erarbeitete, schrieb nach einer Aufführung: „Wir hatten schon oft am Sinn der fein differenzierten Artikulation gezweifelt, die Bach in seinen eigenhändig geschriebenen Stimmen und in seiner Partitur verlangt, da sie normalerweise gleichsam in einen herrlich-harmonischen Klangbrei ertrinken. Nun konnte man bemerken, wie sich jeder einzelne Musiker wieder am eigenen sprechenden, wohl-artikuliertem Spiel selbst erfreute, weil alles präsent blieb, weil das Gewebe des Miteinander und Gegeneinander mit einem Mal sinnvoll wurde“. Die Choräle, die formal der liturgischen Verankerung dienen und als Momente der Besinnung im Augenblick persönlicher Ergriffenheit fungieren, werden vom St. Nikolaichor gesungen. Eine Aufführung, die eine Herausforderung an die Hörgewohnheiten in Sachen Bach darstellen wird.Klaus Büstrin Bachtage Potsdam vom 11. bis 19. September, Ticket-Line 0180/5170517, Info-Line 0700/16851750

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })