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Kultur: Klangkörper erst aufgelöst, dann wieder auferstanden Preußisches Kammerorchester wird eine Kammerphilharmonie

Anno dunnemals konnten sich nur Fürsten eigene Orchester leisten. Die Musiker waren Lakaien, hatten stets zu Diensten zu sein.

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Anno dunnemals konnten sich nur Fürsten eigene Orchester leisten. Die Musiker waren Lakaien, hatten stets zu Diensten zu sein. Über deren Wohl und Wehe entschied oftmals nur ein einziges Wort des Regenten. Heute entscheidet gleichfalls der Souverän. Im Falle der Musiker des Preußischen Kammerorchesters in Prenzlau ist es der Kreistag des Landkreises Uckermark, der seine Beschlüsse – nach Vorgaben von Landrat Klemens Schmitz (SPD) – fasst. Dass sie oftmals genauso willkürlich ausfallen wie bei einem Potentaten des 18. Jahrhunderts, verleiht dem Ganzen eine pikante Note. Kürzlich erst hatten die „Preußen“ ihr fünfzigjähriges Jubiläum mit einem Festkonzert gefeiert. Wenig später flatterte ihnen die Mitteilung zur Auflösung per 31. Juli 2005 ins Haus. Dass ihr Da-Sein solche dramatische Wendung nehmen würde, war allerdings vorhersehbar, denn immer wieder mussten die Zuschüsse gesenkt werden. Aus Potsdam kamen von der Landesregierung nur noch knapp 100 000 Euro. Doch Kreistag und Landrat Joachim Benthin (CDU), inzwischen im Ruhestand, standen in Treue fest zu ihrem Orchester. Das wurde auch tatkräftig unterstützt von Helaman Krause (parteilos), Musenfreund und stellvertretender Landrat, der u.a. für Finanzen und Kultur zuständig war. Er wusste um die Bedeutung des Orchesters als Identitätsstifter für die wirtschaftlich gebeutelte Region. Nach der Kommunalwahl und dem Wechsel im Landratsamt wehte fortan ein wesentlich schärferer Wind durch die Uckermark. Dass, was Krause auf einen kulturförderlichen Weg gebracht hatte, wurde plötzlich in Frage gestellt. Als nunmehrigem Kämmerer der Stadt Prenzlau waren Krause sowohl Einflusssphäre als auch Möglichkeiten zu finanzielle Wohltaten weit gehend entzogen. Er sah sein Werk zunehmend parteipolitischen Ränkespielen ausgesetzt. Nun ist es zerschlagen. Die oft gestellte Frage „wozu brauchen wir ein Orchester in der Uckermark?“ ließ Klemens Schmitz eindeutig beantworten: aus dem Tariforchester sollte ein Honorarorchester entstehen, unterstützt mit jährlich 500 000 Euro (bislang waren es 900 000), zahlungsgarantiert bis 2012. Den Musikern wurde per 31. 7. 2004 gekündigt. Deutsche Orchestervereinigung, BfA und Künstlersozialkasse zweifelten die Rechtmäßigkeit des Vorgehens an. Alle Rechtsschutzklagen gingen zu Gunsten der Musiker aus. Schmitz'' Reaktion: Auflösung des Kammerorchesters. Einen Tag bevor der Kreistag das Totenglöckchen läuten ließ, gründete sich in Falkenhagen der Verein „Kammerphilharmonie Uckermark“ e.V. unter Vorsitz von Ex-Landwirt Jürgen von Scharmier. Die Idee dazu hatten die Musiker Ursula Weiler (Flöte), Carsten Schlottke (Oboe) und Lutz Jonas (Horn). Was bewog sie zu diesem waghalsigen Schritt? Es war Idealismus, Verantwortung gegenüber Kollegen und Liebe zur Musik, gepaart mit unternehmerischem Denken. Damit dürfte eine von anderen Musikern geplante Streichorchestervariante endgültig vom Tisch sein. Das neue Ensemble wird aus einem klassischen Bläser- und Streichquartett nebst einem Spieler von Tasteninstrumenten gebildet. Diese elf ortsansässigen Musiker ( fest angestellt) wollen keine Eventkultur betreiben, so die geschäftsführende Vereinsvorsitzende Ursula Weiler, sondern ihren Bildungs- und Kulturauftrag in und für die Uckermark erfüllen. Prenzlaus OB Hans-Peter Moser (PDS) denkt inzwischen über eine städtische Mitfinanzierung nach. Ein „facettenreicher Klangkörper“ solle es werden, der hauptsächlich frühklassische Stücke spielen wird, gibt sich Ursula Weiler optimistisch. Schnell muss er in die Puschen kommen, denn für die „Preußen“-Spielzeit 2004/2005 stehen juristisch nur noch sechs Musiker zur Verfügung. Eine weitere Zusammenarbeit mit Dirigent Daniel Inbal ist „angedacht“, wobei der Maestro bereits entsprechende Bereitschaft hat erkennen lassen. Nicht aus dem Auge verlieren wird man das Wort des Landrats, die einst ausgelobten 500 000 Euro langfristig bereitstellen zu wollen und zu können.Peter Buske

Peter Buske

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