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Kultur: Klangregisseur

Rolf Henry Kunz beim Orgelsommer

Stand:

Mächtig und majestätisch wird sie gerne angestimmt, die „Königin der Instrumente“, auf Distanz zum hörenden Volk bedacht. Rolf Henry Kunz ließ die Orgel der Erlöserkirche am Mittwoch zu einer modernen Monarchin werden. Er streifte Zeremoniell und Etikette ab, nahm dienerische Ehrfurcht aus dem Spiel. Doch den Respekt versagte er ihr nicht, ließ in seinen angenehm, ja sogar überraschend transparenten, Detail aufdeckenden Interpretationen keine Tändelei zu oder pure Unterhaltsamkeit. Es war ein oftmals eigener Weg, der gewinnend einlud zum Mitgehen, zu einem entspannten, genussvollen Hören.

Rolf Henry Kunz, der heute in Frankfurt am Main wirkt und als Organist in vielen Musikzentren wirkt, begann seine musikalische Karriere 1970 als Korrepetitor am Potsdamer Hans Otto Theater sowie als Cembalist am Händelfestspielorchester Halle. Nun kehrte er für ein Konzert anlässlich des Internationalen Orgelsommers 2012 nach Potsdam zurück. An der Schuke-Orgel der Erlöserkirche bot er ein facettenreiches Programm, das fast ohne populäre Musik auskam, wenn man vom berühmten Air in D, BWV 1068, und der Fantasie in G-Dur „Piece d’orgue“, BWV 571, absieht. Das Air erklang sachlich, ohne einen Hang zum Süßlichen, die „Piece d’orgue“ begann bei Kunz silbrig, glockenhell, dann schneidend scharf. Wie in einem gefährlichen Wasserfall stürzten die Themen klar dahin. Dunkler werdend, komplexer und vielstimmig verschränkt steigerte sich die Fantasie zu machtvollen Akkorden, die enorme Breite entfalteten. Höher steigend wechseln unvermittelt die Register, gedämpft, wie aus einer Höhle herausrufend, nicht enden wollende Ketten, Verschlingungen von Noten, bis das Werk im Ungefähren verklingt. Eine Interpretation voll emotionaler, beunruhigender Ausdruckskraft.

Nachdem Rolf Henry Kunz mit dem postromantischen Song 13 in Es-Dur von Percy Whitlock (1903-1946) über ein Thema des Renaissancekomponisten Orlando Gibbons das Gemüt wieder in ruhige Bahnen führte, stand die Hymne au soleil in G-Dur des Franzosen Louis Vierne auf dem Programm. Mit teilweise geisterhaften Klängen im impressionistischen Farbenspiel durchmaß der Organist das spätromantische Stück in anscheinend fremden Tonräumen. Der wunderbare Klangmaler Kunz entfaltete auch hierbei exzellent seine Kunst

In unseren Breiten sind der slowenische Komponist und Priester Matija Tomc (1899-1986) sowie die Französin Jeanne Demessieux (1921-1968) nahezu unbekannt. Schön, dass Rolf Henry Kunz sie mit ihren Variationen über die altkirchlichen Hymnen „Christus vincit“ und „O filii et filiae“ in der Erlöserkirche vorstellte. Auch in diesen von der Spätromantik geprägten Stücken war eine überzeugende Klangregie stets vorherrschend. Kräftige und sanfte Farben, Fülle und Schlichtheit wechselten wie in einer wohlgeordneten Rede miteinander ab. Zum Ausklang des Konzerts gab der Frankfurter Orgelvirtuose nochmals Variationen zum Besten, diesmal zum Sommerlied „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Der Kantor der Marktkirche Wiesbaden, Hans Uwe Hielscher, nahm sich der bekannten Melodie von August Harder an und gab den einzelnen Strophen ein Auf und Ab sommerlicher Gefühle, mit fröhlichen, tänzerischen und nachdenklichen Passagen. Doch auch die facettenreichen Farben dieser Jahreszeit kamen in der Musik Hielschers und in der Interpretation von Rolf Henry Kunz großartig zum Ausdruck. Ein entspanntes und entspannendes Sommer-Stück. Klaus Büstrin

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