Von Peter Buske: Klangsinnlich und glasklar
Französisch-russische Impressionen vom musikalischen Geschichtenerzähler Nikolai Tokarev
Stand:
„Jedes Konzert ist ein magischer Moment. Leider stresst das viele Reisen manchmal. Dann denke ich: nicht schon wieder in die nächste Stadt!“ Doch sein Manager wird dem gefeierten Jungstarpianisten Nikolai Tokarev vor seinem Potsdam-Auftritt im Nikolaisaal solche Flausen schon gehörig austreiben. Und tatsächlich: „Wenn ich dann spiele, gebe ich mich ganz meinen Gefühlen hin“, lässt er versichern. Auch, dass es ihn nicht interessiere, wie ein Stück bei seiner ersten Aufführung geklungen haben mag. „Ich will es vielmehr in die Gegenwart holen und deswegen interessiert mich viel mehr, was es uns heute noch zu sagen hat.“ Hehre Ansprüche.
Als Fünfjähriger besteht der 1983 in Moskau geborene Nikolai die Aufnahmeprüfung an der berühmten Moskauer Gnessin-Musikschule, als Sechsjähriger tritt er mit Stücken von Mendelssohn erstmals öffentlich auf und mit Dreizehn beginnt er in Japan zu konzertieren. Schon wieder eines jener Wunderkinder, die später nicht halten können, was sie einst versprachen? Keineswegs, denn mittlerweile gehört Nikolai Tokarev zu jener pianistischen „Boygroup“, die mit dem lustigen Wilden (Lang Lang) dem philosophischen Genie (Jewgeni Kissin) und dem charmanten Dandy (Martin Stadtfeldt) überall für volle Konzertsäle sorgt.
Auf dem Cover seiner ersten Sony-CD-Produktion „No. 1“ sitzt er gleich einem interpretatorischen Versprechen leger in Jeans und Turnschuhen auf dem Boden. Am Flügel greift er dann leidenschaftlich in die Tasten, entdeckt bekannten Stücken neue Nuancen. Kenner und Liebhaber loben seine Entdeckungsreisen zu Chopin, Bach, Liszt und Mussorgsky, erblicken in ihm einen musikalischen Geschichtenerzähler mit großem dramatischen Gespür, begeistern sich an seiner technischen Brillanz, Klangsinnlichkeit, Sensibilität, musikalischen Reife und Fantasie. Für das Album erhält Nikolai Tokarev den Echo-Klassik-Preis 2008 als bester Nachwuchskünstler (Klavier). Ein schöner Erfolg.
Haben ihm seine Eltern – der Vater ist Konzertpianist, die Mutter Cellistin - davon ein wenig mit in die Wiege gelegt? „Als ich klein war, definierte sich mein Erfolg durch die positive Zuwendung der Lehrer und Eltern, später dann auch durch das Publikum“, kommentiert der Pianist schnörkellos. „Heute darf ich den Erfolg nur in meiner eigenen künstlerischen Entwicklung suchen und finden“. Nachdem er 2001 das Gnessin-Institut, Kaderschmiede der russischen Klavierspielkunst, absolviert hat, setzt er seine Ausbildung am Royal Northern College of Music in Manchester fort – bis 2006. Ein Jahr zuvor nimmt er am Klavier-Festival Ruhr teil, wo die Pädagogin Barbara Szczepanska auf ihn aufmerksam wird. Sie rät ihm zu einem Post-Graduate-Studium an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule. Bei ihr reift er: durch Anregungen, Rat, aber auch durch ihr bloßes Zuhören.
Welche Komponisten ihm am nächsten stehen? „Meine bevorzugten russischen Komponisten sind Rachmaninow und Schostakowitsch!“ Doch seine russische romantische Seele öffnet sich alsbald auch anderen Stilrichtungen: „Ich ziehe die Klarheit vor. Man muss jede Note hören.“ Was ist dafür besser geeignet als französisches Repertoire?! Also spielt er als zweite CD ein „French Album“ ein, von dem er für seinen Nikolaisaal-Auftritt einige Titel ausgewählt hat. Beim Tauchgang in jene Klangwelt („diese Musik ist wie Glas, alles ist sichtbar“) zeigt er sich als ein Meister kleinster Unterschiede, der umtriebigen Spielfreude, der minimalen Akzente. Will heißen: Nikolai Tokarev bringt den Farbreichtum der Musik, ihre Durchsichtigkeit und Atmosphäre zum Leuchten.
Und von einer weiteren Vorliebe wird uns der Jazzenthusiast noch künden: den Transkriptionen und Paraphrasen - unter anderem eine über Tschaikowskys „Nussknacker“. Bestimmt keine harte Nuss für ihn.
7. Februar, 20 Uhr, Großer Saal: Black & White
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: