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Kultur: Klärung eines Sachverhalts Veronika Fischer las

und sang im Lindenpark

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„Das Lügenlied vom Glück“ – was mochte das sein? Der Titel des Buches von Veronika Fischer und Manfred Maurenbrecher, die Biografie der Sängerin, die im Osten der Republik eine beispiellose Karriere hinlegte, macht neugierig. Eine Auflösung des Titels lieferte das musikalische Konzert der Autoren nicht, zumindest nicht unmittelbar Samstagnacht im Lindenpark. Erst im Nachhinein kam man ins Grübeln. Ist die Fischer nun glücklich?

Es sind nicht mehr Tausende, die zu Konzerten der mittlerweile 62-Jährigen kommen. Aber es waren immer noch etwa 150 Gäste, zumeist derselben Generation wie die Autorin, die sehen wollten, was aus ihrem Idol, dieser unangepassten Frau, geworden ist.

Und ja, Veronika Fischer hat sie noch drauf, die großen, sanften Gesten. In Hosenanzug und Krawatte lieferte sie Erinnerungen, auch wenn sie stimmlich nicht ganz auf der Höhe war und mit Heißgetränken aus der Thermoskanne die Stimme salbte. Es half nicht ganz, doch das Publikum war gnädig. Sie hätte das Konzert ja auch absagen können, und tat es nicht.

Dafür muss es schon sehr heftig kommen, wie damals in den Siebzigern, als sie während einer Tour durch die Sowjetunion an Ruhr erkrankte. Die Geschichte von der seltsamen Krankenhauserfahrung steht im ersten Teil des Buches, locker und humorvoll aufgeschriebene Erinnerungen an die Anfangszeit einer Karriere, als Veronika Fischer in mehreren Bands sang und sich ausprobierte, hin- und hergeworfen, aber immer ein Stehaufmännchen. Über Nacht der internationale Erfolg, und die Band wurde zum Werbeträger sozialistischer Glückseligkeit, auch wenn sie dafür bei 38 Grad im Schatten in bunten Strickanzügen, genannt „Asietten“, im ungarischen Kis-Stadion vor 15000 Gästen auftrat.

Diese Einblicke in den Musikeralltag, den alltäglichen Wahnsinn, Erinnerungen an feuchte Proberäume, das amüsiert die Zuhörer, und es ist ja gottlob vorbei.

Für Veronika Fischer war es schneller vorbei als für die meisten DDR-Bürger, weil sie 1981 in den Westen ging. Manche Fans nahmen ihr das damals übel. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil des Buches als Rechtfertigung für diesen persönlichen Schritt gelesen werden kann. Veronika Fischer und Ko-Autor Maurenbrecher räumen den Monaten der Entscheidungsfindung viel Platz ein. Stasiprotokolle wurden vorgelesen, die die Bespitzelung der Sängerin belegen, weil sie nach der Flucht ihres Produzenten ohne Liedmaterial dastand, orientierungslos, arbeitslos, aber mit Dauervisa für das westliche Ausland – also verdächtig. Die Leichtigkeit der Lesung unterlag plötzlich einem ungewohnten Druck, als gäbe es 25 Jahre nach der Wende noch etwas zu klären.

Gut, dass Fischer und ihr Pianist Andreas Gundlach die Atmosphäre auflockerten, mit den alten Liedern, die die Leute hören wollen - „Auf der Wiese“ und „Schneeflocke“, da war man selber noch jung. Es sind immer noch schöne Lieder, deren Aussagen auch heute noch bedenkenlos unterschrieben werden können. Und es ist auch gut, dass Maurenbrecher den Schulterblick als Wessi übt, dem Buch die moralische Schwere etwas nahm und in der Lesung als Garant für eine gewisse Objektivität neben der Künstlerin saß und ihr Halt gab. „Lügenlied vom Glück“ – sie hat es nicht gesungen, aber es war im Saal. Steffi Pyanoe

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