Kultur: Klassiker auf dem Programm Orchesterwoche
auf Hermannswerder
Stand:
Im zweiunddreißigsten Jahr ihres Bestehens zeigte sich die Potsdamer Orchesterwoche erneut bei besten Kräften. Sowohl der Verein als auch ihr Gründer, Kantor Dietrich Schönherr, tun alles dafür, dem heimischen Publikum ein Musikerlebnis der besonderen Art zu bescheren. Eine Woche intensivster Probenzeit für die Teilnehmer – begeisterte Laienmusiker aus ganz Deutschland – dann ein strammes Tourneeprogramm mit Station in Brandenburg, Lehnin und Paretz. Potsdamer Musikfreunde konnten das neunzigminütige Klassiker-Konzert mit Werken von Sibelius, Bruch, Mozart, Haydn und Dvorak wahlweise im „Stammsitz“ Hermannswerder oder am Sonntag als krönende Abschlussveranstaltung in der Friedenskirche erleben. Hut ab vor solchem Engagement in nur einer Woche.
Aber wieso eigentlich krönend? Unterschiedliche Räume ändern zwar nichts am Wert einer Aufführung, wohl aber an ihrem Ausdruck. Insofern dürfte das Open-Air-Konzert in Paretz anders verlaufen sein als jenes zu Sanssouci, dessen Kirche genau das ausstrahlt, was man der Renaissance schlechthin nachsagt: kühle Schönheit.
Das Gotteshaus der Hoffbauer-Stiftung macht eher einen gemütlichen Eindruck, vielleicht sogar einen „deutschen“. Hier schien sich der musikalische Auftakt, Jean Sibelius“ „Karelia-Suite“ op. 11 aus dem Jahre 1893 richtig wohlzufühlen. Als symphonische Dichtung geschrieben, gehört sie in die Zeit seiner tonmalerisch-programmatischen Schaffensphase. Drei Sätze, ein Klang: Streichergrummeln und ein flottes Hornmotiv im „Intermezzo“ künden Erwartungsvolles an. Hörner geben Echos, kommt da ein Schellen-Schlitten her, um wieder zu verschwinden? Elegisch, von Holzbläsern geführt, die sehr filigran gearbeitete „Ballade“ mit sehr ausdauerndem Bass-Ton, indes der dritte Satz „Alla marcia“ sich mit viel Blech und fortissimo-Tuttis einen heroischen Anstrich gibt. Triangel und eine zart geführte Flöte ändern daran nichts. Eine lebhafte, kluge und spielerische Interpretation des musikalischen Leiters Dietrich Schönherr.
Rührend und berührend dann das „Kol Nidrei“ d-Moll op. 47 von Max Bruch, die Verschmelzung zweier ganz unterschiedlicher Melodien zu einem Werk voll melodischer Wirkung: Zuerst jüdische Klage aus einem Bußgesang zum Yom Kippur, dann die englische Hymne „Oh Weep for Those that Wept on Babel''s Stream“. Der 14-Jährige Moritz Klauk spielte die Soloparts auf dem Cello mit verblüffender Reife. Respekt.
Bei Mozart glaubte man die Handschrift vergangener Jahre zu hören. Sein Konzert für Flöte und Orchester Nr. 2 D-Dur KV 314 schien ein wenig hingehuscht, und Antje Sadowskis Solospiel erreichte am Freitag nicht immer die erwünschte Leichtigkeit. Ein Achtungserfolg immerhin. Ähnliches gilt auch für ein Rezitativ nebst Arie aus Joseph Haydns „Jahreszeiten“. Man hatte das Orchester zwar bewusst zurückgenommen, doch die junge, noch in der Ausbildung stehende Sopranistin Maria Meckel wusste diesen Vorteil kaum zu nutzen. Fast unmöglich, Hannahs Worte aus dem „Sommer“ zu verstehen.
Wie in früheren Jahren, so schlug auch diesmal das jugendliche Temperament beim Konzertfinale ganz überraschend durch. Tutti, Pauken und Trompeten bis zum Anschlag bei den „Drei Slawischen Tänzen“ von Antonin Dvorak aus op. 46. Kein Ohrenschmus nach so viel Klassik-Pflege, der Raum spielt immer mit: Aus war“s nun mit der Gemütlichkeit!
Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: