Kultur: Klassische Klaviermusik stieg in den Nachthimmel auf
Der Neu-Potsdamer Pianist Alexander Untschi gab gelungenes Konzert auf dem Steinway-Flügel vor dem Nauener Tor
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Straßenbahnen fahren alle 20 Minuten vorbei, auch Busse sind noch unentwegt unterwegs. Fröhliches Lachen schallt von der Friedrich-Ebert-Straße herüber. Am Nauener Tor ist es jedoch weitgehend ruhig. Nur der Steinway-Flügel, der auf einem kleinen Podest steht, hat das Sagen. Klassische Musik erklingt zur nächtlichen Zeit. Der im Frühjahr aus Wien nach Potsdam gezogene Alexander Untschi gibt ein Klavierkonzert. Anregungen dafür bekam er von einem Freund in Norwegen. In der Stadt Risör sind Mitternachtskonzerte sehr beliebt.
Sie könnten auch in Potsdam sich als publikumsträchtig erweisen, denn die Premiere war ein gelungener „Auftakt“. Alexander Untschi ängstigt sich aber vor den Stadtgeräuschen, denn fast in jedem zweiten Satz seiner Moderation kommt der Satz vor: „Hoffentlich zerstört das Vorbeifahren der Straßenbahn nicht die Musik“. Der Pianist kann getröstet sein: Die Musik gewann die Oberhand, natürlich auch durch die leichte akustische Verstärkung des Klaviertons. Für sein Programm wählte Untschi Werke aus der Klassik, Musik, die die Zuhörer sofort erreichen. Sonaten von Mozart und Beethoven bestimmen die Folge. Eine schwere Aufgabe für ein Open-air-Konzert, bei der vom Freitag zum Sonnabend auch die Nachtkühle sich über den Platz legt. Aber Alexander Untschi meistert selbst gewähltes Vorhaben. Besonders die Sonate in B-Dur KV 570, die Wolfgang Amadeus Mozart 1789 komponierte, spielt der Pianist mit großer Klarheit. Die dramatischen Affekte betont er im ersten Satz mit gezügelter Heftigkeit, der Mittelsatz, ein schmerzlich-süßes Adagio, wird seelenvolll interpretiert und das Finale, ein behagliches Rondo, ist an Herzlichkeit kaum zu überbieten.
Die Sonate in D-Dur op. 10 Nr.3 von Ludwig van Beethoven ist ein Schwergewicht für fast jeden Pianisten – ein Wagnis, dieses Werk im Freien zu spielen. Untschi wagt es. Mit hellwacher rhythmischer Empfindung und mit der Kraft eines dynamischen Elans vergegenwärtigt er das tiefinnige musikalische Angebot, das in dieser Sonate steckt.
Für diese und die beiden anderen Sonaten, die Untschi zur Mitternachtszeit vor dem Nauener Tor so trefflich zum Besten gibt, erhält er den herzlichen Beifall des insgesamt aufmerksamen und dankbaren Publikums. Klaus Büstrin
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