Kultur: Kleider machen Leute. Oder?
Eine Mini-Schau an der Brandenburger versucht, hinter die Fassade zu schauen. Und bleibt an ihr haften
Stand:
Ein grell geschminkter Mund, dessen leuchtendes Pink die Blicke auf sich zieht. Der Rest des Gesichts ist ausgeblendet. Nur auf dem angeschnittenen Dekollete funkelt feurig ein Brillant. Das Foto in dem gelb gestrichenen Rohrgestell auf der Brandenburger Straße buhlt wie in einem Werbemagazin um Aufmerksamkeit. Wie auch die anderen großformatigen Arbeiten junger Nachwuchskünstlerinnen, die im Rahmen eines Berufsorientierungsprojekts des Vereins Kunsthaus Strodehne der Frage nachgingen: „Kleider machen Leute. Oder?“
Das „Oder“ bleibt allerdings bei der kleinen, sehr übersichtlichen Schau weitgehend ausgeblendet. Die Motive bewegen sich an der Oberfläche, ohne tiefer zu loten. Was sagen uns die unnatürlich angemalten Lippen oder die zwei kleinen Mädchen, die sich freundschaftlich umarmen und deren Kleidung ebenfalls rosapink strahlt? Ja, das junge, asiatisch anmutende Mädchen mit der großen weißen Brille wirkt vielleicht etwas fremd in dem apfelgrünen Sommerkleid, das mit Spitze und Bordüren besetzt ist. Und die mit kindlichem Duktus gemalten Gesichter unter roten Zipfelmützen gaukeln konterkarierend dazwischen – das Antlitz aus dem Schönheitsprospekt vielleicht belächelnd. Doch es fehlt das wirkliche Gegenstück: die Innenansicht. Die sechs schachbrettartigen Karomuster mit den verschieden farbigen Quadraten zielen offensichtlich in diese Richtung, ohne sich jedoch wirklich zu entschlüsseln oder einen emotionalen Zugang zu liefern. Auf einer Tafel ist zu lesen: „Man sieht sie täglich, den Mann in respektabler Uniform, die Dame im mondänen Pelzmantel, den Typen in Markenklamotten, die Frau im Business-Look und viele andere, die mit ihrer Kleidung Beruf, Status oder Weltsicht demonstrieren. Die äußere und die innere Wirklichkeit von Leuten, was haben sie miteinander zu tun?“ In dieser Box am Wegesrand bleibt man mit einem Schulterzucken zurück. Oder man stellt sich hinter die Wand und schaut als Mitspieler der Aussteller durch das kopfgroße Loch auf die Brandenburger hinaus. Dort sieht man all die verschiedenen Typen vorbei flanieren und beim genauen Hinschauen ist man der Antwort vielleicht ein stückweit näher. Aber auch nur vielleicht. Heidi Jäger
Zu sehen an der Brandenburger Straße 62, bis 29. Juni.
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