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Kultur: Kleine Schritte, große Gesten

Louie Austen und das Brandenburgische Filmorchester Babelsberg im Nikolaisaal

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Unterhaltung ist Illusion. Ein bis zwei Stunden Zauberei mit den Geschichten des Alltags. Auf ein Lied über Liebeskummer folgt die Hymne auf das Glück. Und auch wenn Moll dominiert, fast immer klingt es schön. Dazu eine Sängerin oder ein Sänger, die uns zu bezaubern wissen, wenn sie das Quentchen Glaubwürdigkeit in die Lieder legen, damit wir für ein bis zwei Stunden vergessen, dass dies alles nur Illusion ist.

Der Sänger Louie Austen, der am Freitag zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg in der Reihe Crossover-Konzert im Nikolaisaal auftrat, gilt als ein solcher Verzauberer. Ein Entertainer im feinsten Zwirn, ganz in der Tradition von Frank Sinatra, Dean Martin und Tony Bennett. Große Stimme, großes Orchester, große Show. Louie Austen, ihn Wien geboren, hat diese Dreieinigkeit jahrelang angestrebt. Er ist nach Südafrika, nach Australien und dann nach Amerika gereist, immer auf der Suche nach der Musik, mit der er am besten verzaubern kann. Louie Austen trat als Dean Martin-Double in einer der zahlreichen Las-Vegas-Shows auf und tourte mit einer kleiner Combo durch die Staaten. Verdiente gerade mal so viel Geld, dass es zum Überleben reichte.

In den 80ern kehrte er nach Wien zurück, arbeitete in einer Hotelbar als Pianist und Sänger und machte sich einen Namen. Vor sieben Jahren sang Louie Austen zum ersten Mal für ein Projekt, dass seine Stimme mit elektronischen Elementen wie knarzig-harten Beats untermalte. Louie Austen wurde tanzbar, brachte vier Alben heraus und damit in gewissen Maßen bekannt. Der Abend mit dem Filmorchester Babelsberg sollte dann ein musikalisches Zurück zu den Wurzeln sein.

Mit „L.A. is my lady“ begann der Abend, das Filmorchester hob an und Louie Austen tänzelte auf die Bühne. Kleine Schritte, große Gesten und der Anzug saß perfekt. Man lehnte sich zurück und dachte, ja, das wird ein guter Abend. Dann war das Lied zu Ende und Louie Austen sprach mit dem Publikum. Er sagte, dass sich für ihn ein Lebenstraum erfülle, endlich in Potsdam, in der „Nikolaihalle“ zu spielen, zusammen mit dem großartigen „Babelberger“ Orchester, hier in der „Metropole der Musik“. Versprecher gepaart mit Ironie? Vielleicht. Aber dann war sie als solche nicht zu erkennen. Als einige im Publikum lachten, versicherte Austen, es sehr wohl ernst gemeint zu haben. Es folgte „Glamour Girl“, eine Eigenkomposition, und man merkte schnell, dass es lange her gewesen sein muss, als Austen das letzte Mal mit einem Orchester zusammen gespielt hat. Die Babelsberger unter Scott Lawton in Bestform, nur Austen hatte Probleme mit dem richtigen Einsatz. Das war an diesem Abend mehrmals zu beobachten und ging auch nicht spurlos an dem 60-jährigen Sänger vorbei. Er, der eigentlich der Souverän sein müsste, wirkte oftmals unsicher. Vielleicht war ein Tag Probe doch zu wenig. Aber es gab auch großartige Momente. Die Klassiker „I“ve got you“ und „That“s life“, die Ballade „I aint much“ oder das pulsierende „Brazil“, hier zeigte Louie Austen, was Stimme kann. Zwischen den Liedern ausführlich die Lebensgeschichte des Louie Austen, höchstselbst von ihm erzählt. Nach der Pause dann der musikalische Louie Austen der vergangenen Jahre. Elektronisches aus den Boxen, entsprechende Bilder an die Wände projiziert und bei „Disco Dancer“ tatsächlich das Geflimmer einer Diskokugel. Hier fand Austen wieder Sicherheit, wurde im halbvollen Saal bejubelt und verabschiedete sich dann mit „Have yourself a little christmas“.

Lauter Applaus, auch wenn es nicht der ganz große Zauber war. Die Crossover-Konzerte sind schließlich auch immer Experimente, unerwünschte Nebenreaktionen eingeschlossen.

Dirk Becker

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