Kultur: Kleiner transsylvanischer Ausflug
Michael Otto in der Galerie Samtleben / Bilder der Erstarrung mit einer Prise Humor gemalt
Stand:
Michael Otto in der Galerie Samtleben / Bilder der Erstarrung mit einer Prise Humor gemalt Da starrt er den Hereinkommenden an, der monolithisch da sitzende Hund mit der übergroßen, gräulichen Körperfläche, den zusammengezogenen Augen, die fast nur noch Schlitze sind, dem fehlenden Schwanz, den steif aufragenden Miniöhrchen. Wie ein Felsblock hockt er da, als wolle er gleich die Zähne fletschen und uns mit all der Kraft seiner blockartigen Wuchtigkeit durch einen Sprung aus seiner stoisch, aber gefährlich anmutenden Ruhe ersticken. Es könnte sich auch um eine grob aus dem Stein gehauene, jeder Lebenslust entzogenen, aber jeder Gefährlichkeit hingegen offenen Skulptur sein, die darauf wartet, uns ihre Zementartigkeit als körperliche Erdrückung aufzuzwingen. Froh ist der Besucher der Ausstellung von Bildern Michael Ottos in der Galerie Samtleben, dass dort als einziges lebendes Tier die freundliche Katze schnurrt, dass aber die Gestalten in Ottos Bildern in ihren Rahmen bewegungsunfähig bleiben. Es ist eine eigenartige Bedrohlichkeit, die vielen dieser in ihrer Flächigkeit seltsam unbehaust wirkenden Gemälde entströmt. Das Auge des 1938 in Luckenwalde geborenen Malers konstatiert eine Erstarrung aller Dinge, aller Häuser und Lebewesen. Als sei allem die Seele entzogen, positiver Lebensenergie beraubt. Nun könnte man meinen, das läge daran, dass er seit einigen Jahren, als Begleiter seiner in Rumänien als Seelsorgerin arbeitenden Frau, dieses Land bereist, in dem offensichtlich alle darauf warten, dass irgendwann etwas geschehen wird, dass die bleierne Schwere aufgebrochen wird. Die meisten der in der Galerie Samtleben gezeigten Arbeiten sind Reflektionen auf diese Rumänienreisen, aber auch die Berlin-Bilder leben aus einem ähnlichen Stoizismus seelischer Erschöpfung. Da schreiten „Unter der Avus“ vermummte Figuren, die wir nur von hinten wahrnehmen können, durch die immense Betonschlucht auf eine Lichtquelle zu, die ihnen vielleicht die nötige Hoffnung bietet. Auch wenn Menschen, wie in den Bleistiftzeichnungen „Im Salzbad“ sich eigentlich erholsamen Tätigkeiten hingeben, wirken sie apathisch. Ihre aus dem Salz herausragenden Oberkörper wenden sich voneinander ab, jeder eine Monade ohne Möglichkeit zur fruchtbaren Kommunikation, weder mit dem eigentlich Heil versprechenden Salzbad noch mit den anderen, ebenso trostbedürftigen Gestalten. Dennoch, nach einigen Minuten des Sich auf diese Trostlosigkeit Einlassens, erscheint hintergründig und fast augenzwinkernd ein kleines Fünkchen Hoffnung, zumindest eine Prise Humor entschlüpft dem Salzbad, das uns auch, sähen wir diese Möglichkeit nicht, schnell in die Depression führen würde. Es ist ein langes Warten, das manchmal mit einer Prise Schalk entspannt wird, das da in den transsylvanischen Gefilden von allen und jedem Besitz ergriffen zu haben scheint. Lediglich „das Hündchen“ steht, Zunge heraushängend, mit klapperigem Körper aufmüpfig da, umgeben von jenen in Rumänien zum Alltag gehörenden, wichtigen Gegenständen wie einer nach frischer Beute lechzenden Mausefalle oder einem träge abgestellten, archaisch anmutenden Zementklopfer, der so arbeitslos scheint wie die meisten der Menschen, die nach der Diktatur immer noch auf bessere Zeiten hoffen. Es sind Momente des Übergangs, die in Ottos Wahrnehmung unendlich lang werden können und man erträgt dieses Sujet lediglich aufgrund der ausgefeilten Arbeitsweise des Künstlers, der selbst diesen Erschöpfungszuständen von Objekten und Menschen eine ästhetische Kraft entlockt,Lore Bardens Bis 19. November, Brandenburgher Straße 66
Lore Bardens
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