Kultur: Kleines großes Welt-Theater
Bilder und Grafiken von Dietmar Buchmann in der Galerie am Neuen Palais
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Bilder und Grafiken von Dietmar Buchmann in der Galerie am Neuen Palais Von Götz J. Pfeiffer Die Tür geht auf, die Tür geht zu. Ein blonder, alter Hund schleppt sich müde dem Besucher entgegen. Der Galerist reicht seine harte Hand zum Gruß. Dahinter im halbdunklen Raum schlummern knapp 70 malerische und grafische Arbeiten. Kassandra ist schon da, und auch das Dürer-Trio von Ritter, Tod und Teufel. Maria hält als unbefleckte Empfängerin den gestorbenen Gottessohn samt Kreuz auf dem Schoss. Und etwas weiter lockt eine heilige Kuh im indischen Ambiente. Auch dabei: mehrere Stillleben mit Wald, eine Strandparty und das Lob der Weltrevolution auf der Operettenbühne. Willkommen in der Bilderwelt des Dietmar Buchmann. Vor inzwischen elf Jahren stellte der gebürtige Schleswiger das erste Mal in der Galerie am Neuen Palais aus. Schon damals hatte der heute Sechzigjährige einige Erfahrung mit dem Herstellen von bewegten und unbewegten Bildern. Mehr noch als für seine Malerei und Grafik ist Dietmar Buchmann als Autor, Regisseur und Produzent von über 50 Dokumentar- und Spielfilmen bekannt. Das ist seinem Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie zu Berlin geschuldet. Bevor er das absolvierte, hatte er an der Berliner Hochschule der Bildenden Künste gelernt. Sein malerischer Lehrer war Hann Trier, in der Bundesrepublik einer der wichtigsten Vertreter der ungegenständlichen Malerei nach 1945. In Buchmanns Arbeiten der letzten gut zehn Jahre, die jetzt in Potsdam zu sehen sind, ist jede Spur von Triers selbstreflexiver Malweise getilgt. Bei Buchmann ist alles Abbildung, alles gegenständliche Form, kaum etwas verweist wie beim Lehrer auf den Malprozess. Als magischer Realismus ist der Stil des heute in Berlin lebenden Buchmann beschrieben worden. Und einen gewissen Zauber verbreitet die utopische und märchenhafte Welt der besseren Bilder auf Holz, Leinwand und Papier durchaus. Allein der Bann ist auf den meisten Arbeiten von kurzer Dauer. Nur die indische Szenerie verbreitet auf „Die Heilige Kuh“ etwas, nämlich exotischen, Reiz, genau wie auf der dreiteiligen Arbeit „1001 Nacht“ mit Taj Mahal und verschleierter Schöner, beide materiell wertvoll durch Gold und Silber auf Papier. Bemüht erscheint die angestrengte Heiterkeit der zweiteiligen „Strandparty“. Und von entlehnter Originalität ist „Der verlorene Sohn“; ehrlicherweise setzte Dietmar Buchmann hinzu: „nach De Chirico: filio prodigio“. Dann schon lieber die aus ihrer Schlichtheit wirkenden Einsamkeiten im nachgerade guten deutschen Wald. Hie mit einer so stämmigen wie verzweigten „Eiche“, dort mit der etwas kitschigen „Erscheinung im Walde“, die als halbes Gesicht im gelben Farbfleck aufleuchtet. Von diesen ausgesprochen dekorativen Arbeiten heben sich bedeutungsschwangere Bilder voller Allegorien ab, auf denen alte Motive mit neuen Inhalten gefüllt sind. Erschreckt hebt die erotisch-nackte „Kassandra“ zum Betrachter und einem vor ihr dem Rohr entspringenden Strahl von dunklem Rohöl die Arme. In ihrem Rücken wiegt ein Kindersoldat Maschinenpistole und Handgranate in den Händen, zerstieben Gesichter im Weltenbrand, ganz hinten raucht einer der beiden Türme des World Trade Centers. Warum ergeht es Dietmar Buchmanns globalisierter Warnerin wie einst in der Antike? Man mag ihrer Botschaft vom Verderben aus dem Kampf um Öl keinen Glauben schenken. Denn hier zu eindeutig, um die Augen länger zu halten, ist Buchmanns Bildsprache auf Arbeiten wie dem „Fahneneid 02“ zu geheimnisvoll. Seine Anachronismen und Entlehnungen fallen umso mehr vor einigen eindrücklichen, übermalten Xerografien der letzten Jahre auf. Sie wirken wie Standbilder aus Nachrichtensendungen. Das Bildquartett „Terror AG“ mit zwei anonymisierten Porträts von jungen dunkelhaarigen Männern und zwei unter dem darüber gelegten Weiß fast unkenntlichen Köpfen erinnert an aktuelle Bilder aus Israel, Irak oder Ground Zero und wirft die nicht eindeutig zu beantwortende Frage nach Täter und Opfer auf. Ebenso bedrohlich gegenwärtig wirken die drei mal drei Köpfe auf „Verdeckte Ermittlung“, die technisch gerüstete Beobachter und ihre anonymen Objekte, letztlich jedermann, vereint. In diese Arbeiten hat Buchmann das Rumoren der wirklichen, echten Welt herein gelassen. Die meisten anderen durchweht der milde Hauch des Theaterdonners. Bis 10. April in der Galerie am Neuen Palais, Am Neuen Palais 2 a. Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa-So 13-18 Uhr. www.galerieoswald.de. Katalog 5 Euro.
Götz J. Pfeiffer
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