
© Andreas Klaer
Kultur: Klingende Geschichte
Nach 23 Jahren verabschiedet sich Matthias Jacob als Organisator vom Internationalen Orgelsommer
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Der Morgen ist seine Zeit. Dann hat die Friedenskirche Sanssouci noch eine andachtsvolle Stille. Die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster scheinen, geben dem Raum und seinen Kunstwerken einen unvergleichlichen Glanz. Am Morgen steigt Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob am liebsten auf die Empore, zu seiner „Königin“. Dann kann er noch in Ruhe mit ihr Gespräche führen, sie einstimmen für all die künstlerischen und liturgischen Vorhaben, die anstehen: für Gottesdienste und Konzerte. Auch für den Internationalen Orgelsommer, der am heutigen Mittwoch eröffnet wird, jedoch in der Erlöserkirche. Das Festival findet bis zum 11. September seit nunmehr 23 Jahren abwechselnd an jedem Mittwoch in der Erlöserkirche sowie in der Friedenskirche statt.
Matthias Jacob als künstlerischer und organisatorischer Leiter des Orgelsommers wird jedoch nicht den Auftakt geben. Das überlässt er dem Kantor des Ratzeburger Doms, Christian Skobowsky. Er spielt ein ganz und gar farbiges Programm mit Werken unter anderen von Heinrich Scheidemann, Johann Jacob Froberger, Olivier Messiaen und Jehan Alain. Der gebürtige Potsdamer kommt immer wieder gern in seine Heimatstadt, auch wegen der Schuke-Orgel des neugotischen Gotteshauses. Mit ihr ist er seit Kindertagen bestens vertraut. Kirchenmusikdirektor Friedrich Meinel, der mehrere Jahrzehnte Kantor an der Erlöserkirche war, hat ihn bei den ersten und wichtigen Schritten des professionellen Orgelspiels begleitet.
Matthias Jacob wird sein eigenes Festival-Programm erst am 28. August präsentieren. Natürlich an der Woehl-Orgel der Friedenskirche. Und der Internationale Orgelsommer 2013 wird der letzte sein, den Matthias Jacob verantwortet. Ende Oktober geht der Kantor und Organist der Friedenskirche Sanssouci in den wohlverdienten Ruhestand. Der Neue ist am vergangenen Samstag gewählt worden. Joachim Walter aus Preetz, in der Nähe von Plön und Segeberg gelegen, wird am 1. November Nachfolger von Matthias Jacob. Sicherlich wird Walter den erfolgreichen Orgelsommer in Potsdam weiterführen, denn in der Preetzer Stadtkirche und Klosterkirche ist er federführend für die sommerliche Orgelkonzertreihe.
Auf die königliche Woehl-Orgel hat Jacob lange warten müssen. Als er 1981 zum Organisten und Kantor der Friedenskirchengemeinde gewählt wurde, musste er mit einer Orgel vorlieb nehmen, die den Ansprüchen für ein anspruchsvolles konzertantes Musizieren nicht mehr genügte. Das ehemalige Instrument der Potsdamer Orgelbaufirma Gottfried Heise aus dem Jahre 1846 erlebte mehrere bauliche und klangliche Veränderungen. Die aufwändigen Reparaturen, die immer wieder vonnöten waren, wurden mit der Zeit untragbar. So entschloss sich der Gemeindekirchenrat zu einem Orgel-Neubau, der von Sponsoren und Förderern kräftig unterstützt wurde.
Der international renommierte Marburger Orgelbauer Gerald Woehl hat mit seinen Mitarbeitern vor neun Jahren ein sinfonisches Instrument auf die Orgelempore gebaut, die in der Klangfülle sowie in der Vielfalt möglicher Klangfarbenmischungen in Potsdam und Umgebung einzigartig ist. Diese „Königin“ spielt während des Orgelsommers in den kommenden zweieinhalb Monaten wieder eine dominierende Rolle. Künstler aus aller Welt sind eingeladen, um auf ihr zu musizieren. Doch auch auf der Schuke-Orgel der Erlöserkirche. Dieses Instrument mit ihrem barocken Klangideal wird 2014 ein halbes Jahrhundert alt.
Vor 23 Jahren haben Matthias Jacob und sein Kollege von der Erlöserkirche, Kirchenmusikdirektor Friedrich Meinel, das erfolgreiche Festival ins Leben gerufen. Annemarie Meinel, die Frau des Kantors, war in organisatorischen Fragen eine unentbehrliche Hilfe. Nachdem der verdienstvolle Erlöserkirchen-Kantor vor gut 14 Jahren in den „Ruhestand“ ging – er spielt auch heute noch regelmäßig die Schuke-Orgel in Gottesdiensten –, hat Matthias Jacob allein das Orgelsommer-Zepter in der Hand. Zwölf Konzerte sind wieder vorgesehen. Die Hälfte der Gäste kommt in diesem Jahr aus dem Ausland, unter anderen aus den USA, aus Kanada, Großbritannien und Frankreich, aber auch aus Berlin, München, Torgau. Johann Sebastian Bachs Orgelmusik steht traditionell im Zentrum. Darüber hinaus wird man aber eine Art „klingende Geschichte“ erleben, vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Spannend ist es immer wieder, wenn Organisten Werke von zeitgenössischen Komponisten aus ihren Ländern mit nach Potsdam bringen, Werke, die hierzulande unbekannt sind. Wie kaum in einem anderen Konzert in Potsdam hält der Orgelsommer Musik des 20. und 21. Jahrhunderts parat. Matthias Jacob wählt für sein eigenes Festival-Programm neben Bach auch Meisterwerke von Girolamo Frescobaldi, Franz Liszt, Max Reger und Frank Martin. Max Reger ist des Organisten besondere Spezialität, stellen doch dessen Kompositionen höchste Ansprüche an den Interpreten. Auch darum freut sich Matthias Jacob, dass die Woehl-Orgel ihm dabei die klangliche Basis liefert.
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