Kultur: Knitterfalten planiert
Bilder von Magnus Zeller bekommen im Lepsius-Haus ihren Platz
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Zwei bislang unbekannte Gemälde überlässt Helga Helm, die Tochter des Malers Magnus Zeller, dem Lepsius-Haus Potsdam als Dauerleihgabe. Nach Abschluss des Innenausbaus finden der „Armenier“ und das „Stehende Mädchen“ Veronika Lepsius in der Ausstellung in der Großen Weinmeisterstraße ihren festen Platz. Zuvor mussten die beide zwischen 1910 und 1912 entstandenen Werke gründlich restauriert werden. In welchem Zustand sich die Bilder vor und nach der fachgerechten Wiederherstellung befanden, schilderte die Berliner Restauratorin und Zeller-Enkelin Katrin Andrea Ziems bei einem Vortrag im Lepsius-Haus, zu dem trotz Nieselregens rund 40 Interessenten in das alte Gartenhaus des Missionars direkt unterhalb des Belvedere gekommen waren.
So mussten die Oberflächen gereinigt und bei dem „Armenier“ starke Knitterfalten planiert werden. „Veronika“ habe sogar einen großen Triangel an ihren Füßen gehabt, der von ihr gekittet und retuschiert wurde. Beide Bilder strahlen inzwischen aus einem Schmuckrahmen heraus, stehen aber noch bei der Restauratorin, bis die letzten Bauarbeiten im Lepsius-Haus voraussichtlich Endes des Jahres abgeschlossen sind.
Der Johannes Lepsius-Verein indes hatte inzwischen recherchiert und herausgefunden, dass es sich bei dem konterfeiten Armenier um den geschickten Kunsttischler Lewon Aghajan aus Nordpersien handelt. Er kam über das Hilfswerk von Johannes Lepsius nach Berlin, wo sich seine Spur verliert.
Veronika Lepsius, 1905 geboren, hat in der heutigen Kurfürstenstraße den Nachlass des Vaters gesammelt und damit, über die DDR-Zeit hinweg, jenes Archiv begründet, auf das man heute in der Großen Weinmeisterstraße zurückgreift. Sie verstarb 1981.
Der zweieinhalbstündige Nachmittag war zur Gänze dem Maler Magnus Zeller (1888-1972) gewidmet. „Neffe von Johannes Lepsius, linker Pazifist und Künstler gegen Hitler“, hatte Andreas Hüneke, Vorsitzender des Potsdamer Kunstvereins, seinen Dia-Vortrag überschrieben. In Erwägung, dass des Menschen Wesen und Taten erst durch Vergleiche deutlicher werden, stellte der Kunsthistoriker Zellers Bildern die etwa zeitgleich entstandenen Werke seiner Kollegen von Franz Marc bis Hans Grundig zur Seite. Ein kluges Verfahren. So war leicht zu erkennen, wo er stilistische Anleihen machte und wie er zu seiner eigenen Handschrift fand: Der Redner nannte als Merkmale „die Stimmung des Forttragenlassens von Gedanken“, wie beim „Volksredner“, und die besondere Art, seine Sujets in Dynamik zu versetzen, wie bei „Radfahrer“ und „Redaktionsschluss“. Hinzu kommen eine gewisse Fahlheit im Bild und der Einsatz von charakteristischen Weißungen. Im Biesenrode nahe Hettstedt geboren, studierte Zeller vor dem Ersten Weltkrieg in Berlin bei Lovis Corinth. Offenbar durchlief er so ziemlich alle Stilrichtungen jener Zeit, verstand sich in den zwanziger Jahren durchaus als Bohemien, malte aber auch zeit- und gesellschaftskritisch, was sich, etwa Mitte der Dreißiger, auch in der NS-Zeit („Das tausendjährige Reich“) fortgesetzt hat.
Nach dem Krieg konnte er an seine früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen. „Er war in der DDR relativ isoliert, kein Erfolgs-Maler", sagte Hüneke. „Alt und vereinsamt“ sei er in Caputh gestorben.
Die Besucher erfuhren auch, wo und wie oft Magnus Zeller seine Bilder aus Material- und Geldnot übermalte, oder stilistisch änderte, was die Referentin Ziems besonders bedauerte, wenn damit ein klarer Verlust seines unverwechselbar expressiven Ausdrucks einherging.
Im unterhalb des Pfingstberges gelegenen Lepsius-Haus, in dem Johannes Lepsius von 1908 bis 1925 wohnte und arbeitete, soll das Lepsius-Archiv untergebracht werden, das sich zurzeit noch an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befindet. Lepsius war evangelischer Theologe, Orientalist und Humanist. Sein Name ist unlösbar verbunden mit der Geschichte des armenischen Volkes. Der Autor Franz Werfel setzte ihm in seinem Werk „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ ein Denkmal.Gerold Paul
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