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Kultur: Knollennäsige Puppenmagie

Stop Motion – Die fantastische Welt des Puppentrickfilms in einer Ausstellung im Filmmuseum

Stand:

Brav stehen sie in den Vitrinen und versprühen dennoch ihren eigenwilligen Charme. Knollennasen, Herzgesichter, Schmollmünder, blitzende Augen, schillernde Gewänder – im Leben fußende Figuren mit überbordender Fantasie.

Seit gestern heißt es im Filmmuseum „Stop Motion“: Herein in die fantastische Welt des Puppentrickfilms. Es gibt zwei Möglichkeiten, sich dieser lang gestreckten, aus dem Filmmuseum Frankfurt am Main importierten Schau zu nähern. Die einladendste und sinnlichste ist die Zwiesprache mit den Märchen- und Zauberwesen selbst. Da sieht man Frau Holles Backofen und hört es förmlich aus den Mündern der Brotlaibe rufen: „Helft uns, helft uns, sonst verbrennen wir“. Verzückt verharrt man vor den knubbeligen Wonneproppen aus der tschechischen Puppenmeisterstube, um sich dann den starken Posen der Monsterfiguren aus der Werkstatt des amerikanischen Trickfilm-Magiers Ray Harryhausen zuzuwenden. Auf Monitoren sieht man dann die kleinen Helden aus Gips und Modelliermasse zu Leben erweckt, um ihre Geschichten zu erzählen und Schlachten zu schlagen. Denn Stop Motion zeigt anschaulich, wie Schritt für Schritt oder besser Bild für Bild, die Figuren laufen lernen. Immer wieder werden sie verändert, mit zig abnehmbaren Köpfen und Münderstempeln zum „Sprechen“ gebracht. 24 Bilder für eine einzige Sekunde. Ein aufwändiges und damit natürlich auch teures Vergnügen, das sich hinter diesem trickreichen Animieren verbirgt.

Und davon erzählt dann auch der zweite Ausstellungsstrang: über das theoretische Rückgrat der bei Jung und Alt beliebten Puppentrickfilme. Ein Blick ist dabei auch auf das DDR-Schaffen gerichtet, wo es sich die „Puppentrickser“ ohne kommerziellen Druck in Nischen gemütlich machen konnten. Natürlich nicht debattenfrei, denn auch Puppen mussten sich „korrekten“ gesellschaftlichen und didaktischen Erfordernissen beugen. Doch Spielräume blieben nicht ungenutzt, wie die faszinierenden allegorischen Figuren von Kurt Weiler für „Heinrich der Verhinderte“ zeigen. Nach der Wiedervereinigung entfiel diese Schutzzone im Nu: Das DEFA-Studio für Trickfilme konnte sich in der Marktwirtschaft nicht behaupten und wurde von der Treuhand aufgelöst. Die gut ausgebildeten Trickfilmer aus dem Osten bereichern nunmehr den gesamtdeutschen Markt, ist jedenfalls in der Ausstellung zu lesen.

Anfang der 90er Jahre gab es dank solcher Kinoerfolge, wie „Wallace & Gromit“, ein Umdenken. Es wurde nicht mehr nur in Japan oder Amerika eingekauft, sondern auch auf die eigene Kraft vertraut. Neben der Spielwiese Musikvideos und Werbung wurde jetzt auch auf Serien vertraut, wie beim „Castillo“ im ZDF – klare Geschichten mit einfallsreichen Bildern. Und auch Oscars gab es für deutsche Animation: so für den „Perückenmacher“ von Steffen Schäffler.

Das alles interessierte die ersten Besucher gestern herzlich wenig: die muntere Kinderschar von der Fontane-Schule drücken ihre Nasen an die Glasscheiben oder stülpten sich wie die zehnjährige Charline die Kopfhörer über, um Frau Holle auf Englisch zu erleben.

Das eigentliche Highlight aber ist für sie das Ausstellungs-Finale. Dort ist die eigene Fantasie gefragt. Die einzelnen Schritte der Stop Motion-Technik – von der Ideenfindung, dem Drehbuch, den Tonaufnahmen, dem Figuren- und Kulissenbau bis zur Animation – können sie nun ansatzweise selbst erleben. Rote Schlangen, rot gepunktete Echsen, blaue Affen kneten sie zu ihren Helden. Melissa und Ben formen zwei Monster, die sich in ihrer Geschichte „Der erste Kuss“ von Streithähnen zu Liebenden entwickeln. Am Ende halten sie stolz ihr Puppentrick-Debüt als Daumenkino in der Hand.

Das Filmmuseum verzaubert derzeit nicht nur Kinderherzen. Ob animiert im Erdgeschoss oder Märchen entrückt als Spielfilm treppauf: die Leinwand-Stars verströmen ihre Magie. Heidi Jäger

Zu sehen bis 15. Oktober, Eintritt 3,50, erm. 2,50, Gruppen 2 € pro Kind.

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