Kultur: Knorrige Eiche neben schlanker Birke Feinster Jazz mit „Favo“
im Havelschlösschen
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Wer diese beiden Bläser an Bassklarinette und Sopransaxophon hört, wundert sich, dass es solch eine Kombination bislang nicht gegeben hat. Bei ihrem Konzert im Havelschlösschen machten Falk Breitkreuz und Volker Schlott, gemeinsam nennen sie sich einfach „Favo“, ihrem Ruf als kleinste groovende Kapelle von Berlin alle Ehre. Der fabelhafte Jazz-Sänger Sander De Winne ergänzte die Band zum Trio. Nur selten kommt die Bassklarinette mit ihrem großen Trichter zu Gehör, obwohl im letzten Jahrhundert eine ganze Reihe von Werken für sie komponiert worden sind. Wie viele Klangnuancen in ihr stecken, zeigt sich beim Spiel von Falk Breitkreuz. Mit dunklen, überaus beweglichen Tönen, die mal bauchig, mal wie entferntes Hauchen und Stöhnen klingen, grundiert er den Klang auf ganz eigene Weise. Aus der Tiefe sprudeln die Basslinien nach oben und flattern um die feinen, schwebenden Töne des Sopransaxophons. Wie eine knorrige Eiche neben einer schlanken, hellen Birke - das könnte ein Bild von beiden sein, wäre es nicht schon zu konkret.
Dann wieder dient die Bassklarinette als Perkussionsmedium und markiert mit dunklen Staccato-Tönen den Rhythmus. Manchmal gesellen sich trockene Klopftöne vom Cajón oder dezente Tupfer vom Schellenring dazu. Übertrieben wird hier nichts. Minimalistisch und originell wie die Zweier-Formation an sich zeigen sich auch die musikalischen Arrangements von „Favo“. Musicalsongs, Jazz-Standards, Folkloristisches und eigene Kompositionen klingen stimmig und neuartig. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Falk Breitkreuz und Volker Schlott einander musikalisch so gut ergänzen. Beide studierten an der Hanns-Eisler-Musikhochschule im damaligen Ostberlin, spielten in unzähligen Formationen von Jazz bis Symphonik sowie lange Jahre im Ensemble Fun Horns, dem ersten „wiedervereinigten Bläserquartett“ von Berlin. Die daraus entstandene Zweier-Formation legt nach der CD „Favoriten“ jetzt ihre zweite CD „Aloha oe“ vor, aus der einige Stücke im Havelschlösschen gespielt wurden.
Doch so richtig komplett wird die Zweierkiste erst durch den formidablen Sänger Sander De Winne. Der junge Mann aus Belgien hat äußerlich das Potenzial zum Mädchenschwarm. Er sieht nicht nur wie ein Model aus und schwingt beim Singen mit leicht somnambulen Bewegungen, als sei er nicht mehr in dieser Welt. Erst recht sein Gesang lässt aufhorchen. Da ist einer, der mit seiner Stimme berühren möchte, zart und leise wie ein Hauch oder wie eine Vogelschwinge, aber auch beschwörend und betörend. Wie etwa im Song „Skylark“, den er ausdrucksvoll bis hin zum vollen Tenorgesang interpretiert. Dann tremoliert er wie ein Magier in der ostasiatischen Steppe oder sprüht einzelne portugiesische Silben im Scat-Gesang zum Samba heraus. Die Worte des wunderbaren Gedichts „Alfonsina y el Mar“ flüstert er, Bassklarinette und Sopransaxophon verfremden dazu die Musik von Ariel Ramírez angenehm kitschfrei. Erst die Zugabe der Carmen-Habanera erscheint seltsam, als Sander De Winne imitierend in Sopranlage singt. Leider wirkt das nicht wie zuvor als Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen, sondern parodistisch und ein bisschen platt. Es ist ein Stilbruch und man versteht, warum der Sänger dieses Stück, das noch dazu für ihn gemacht wurde, wie es heißt, nicht mag. Auf einmal platzt die zuvor so experimentelle, poetische, traumhafte Stimmung wie ein Luftballon. Schade drum.
Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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