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Ein Paar. Das an einen Schrank erinnernde Objekt aus Leinwand Für den Körper für den Kopf Walthers neben dem Ölgemälde C.A.P. Merkels.

© Manfred Thomas

Von Almut Andreae: Kodierte Kunst

Die Kienzle Art Foundation zu Gast im Brandenburgischen Kunstverein

Stand:

Mit großer Verlässlichkeit gelingt es den Protagonisten des Brandenburgischen Kunstvereins (BKV), Kunst auf eine Weise zu präsentieren, die definitiv nicht geeignet ist für den schnellen Konsum. So auch im aktuellen Falle von „False Friends“.

Verhandelt und zur Diskussion gestellt werden Bildpaarungen, außerdem jede Menge grundlegender Überlegungen zur Rezeption von Kunst. „Wer kann Malerei heute eigentlich noch verstehen?“, fragt Gerrit Gohlke, Kurator der Ausstellung und Vorsitzender des Vereins. Damit dürfte er vielen aus der Seele sprechen – zumindest, was das Verständnis jener Kunst angeht, die aus dem gegenwärtigen Zeitgeist heraus entsteht.

In der Berliner Kienzle Art Foundation, sprich in dem Kunstsammler und Galeristen Jochen Kienzle, hat der BKV einen Partner gefunden, um miteinander Kunst zu zeigen und zu befragen.

Aus der umfangreichen Sammlung Kienzles, die in der Kunst der sechziger Jahre ansetzt und dabei ihr Augenmerk deutlich auf die Malerei richtet, hat Gohlke für Potsdam 19 Werke ausgewählt. Der Clou der Präsentation liegt unter anderem darin, aus dieser Selektion neun Paare zu bilden. Da wäre zum Beispiel die Paarung Franz Erhard Walther mit Klaus Merkel. Das an einen Schrank erinnernde Objekt aus Leinwand mit dem Titel „Für den Körper für den Kopf“ Walthers steht neben dem großformatigen Ölgemälde „C.A.P.“ Merkels in einer kontrastfreudigen Kombination aus Quietschgrün, Weiß und Schwarz. Und es funktioniert! Gerade gegen die Power dieser Paarung ist es für andere Gruppierungen im Raum gar nicht so leicht zu bestehen.

Es braucht ein wenig Zeit, um sich auf die allesamt sehr eigenwilligen Arbeiten ganz und gar einzulassen, die in Farbauftrag und Materialität oft etwas sehr Ursprüngliches und dadurch teilweise auch Rohes haben. Die optische Provokation, ja die sich beim Betrachter möglicherweise einstellende spontane Empfindung von Aversion gehört zum Konzept der Ausstellung durchaus dazu. Demnach wurde „False Friends“ bewusst als ein Suchbild inszeniert, in dem der Ausstellungsbesucher aufgefordert ist, „Widersprüche zu entschlüsseln, Gleichartigkeiten zu misstrauen und im Nebeneinander das Einzelbild auszusuchen“. Gerrit Gohlke hat diese und andere Thesen in einem ausführlichen Infoblatt zur Ausstellung manifestiert, gleichzeitig seine Herangehensweise als Kurator eloquent kommentiert. Dem bleibt bis auf einige wenige Anmerkungen nicht viel hinzuzufügen.

Diese insgesamt beeindruckende Ausstellung, die thematisch um die Frage der Kunstrezeption kreist, versteht sich als Herausforderung an den Kunstbetrachter. Ist das Interesse an den Künstler dieser Werke und dem Sammler Kienzle jedoch einmal geweckt, sieht sich der Ausstellungsbesucher auf der Suche nach weiterführenden Informationen enttäuscht: gähnende Leere auf dem geräumigen Katalogtisch, was die gezeigten Künstler und ihren kunstsinnigen Sammler anbetrifft.

Ist Kunst also doch etwas für die Eingeweihten, für die, die ohnehin informiert sind über die Hintergründe von Figuration und Konkretion, denen die Künstlernamen der Ausstellung nicht wie fremde Vokabeln in den Ohren klingen? In diesem Zusammenhang auch interessant: Ist es notwendig im Sinne von verständnisfördernd, die Prominenz von Ausstellungsvorhaben durch englische Titel zu unterstreichen? Was zählt am Ende mehr: eine Begrifflichkeit, die Kommunikation fließen lässt oder jene, die Sprache über Kunst per Code mit einem geheimnisvollen Siegel umhüllt?

Die Schnittstelle eines Kunstvereins zwischen den Künstlern und den Kunstbetrachtern ist noch einmal eine andere als die von Galeristen. Umso spannender insofern die gewählte Partnerschaft zwischen BKV und Kienzle Art Foundation. Mit ihr eröffnet der Verein unter dem Titel „Collecting Evidence“ eine Ausstellungsreihe, in denen es in größeren Abständen um die Praxis des Sammelns und deren Vermittelbarkeit gehen wird. Das Ausloten der Frage danach, was Malerei eigentlich ausmacht, legt einen roten Faden. „False Friends“, verrät der Text zur Ausstellung, ist „ein Versuchsaufbau, ein Experiment“.

„False Friends“: zu sehen bis zum 31. Januar 2010, dienstags bis sonntags, 12-18 Uhr, im BKV, Brandenburger Str. 5 (Luisenforum)

Almut Andreae

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