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Kultur: Kommunikatives Musizieren

Kammerakademie gab Frühlingskonzert in Sanssouci

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Kammerakademie gab Frühlingskonzert in Sanssouci Von Sonja Lenz Beherzt und vielseitig sind sie ja alle, die Musiker der Kammerakademie. Instrumentalisten betätigen sich als Bühnenarbeiter, der Dirigent überbrückt die Umbaupause mit einem kleinen, charmanten Vortrag über Haydn. Niemand zieht sich arrogant auf seine angestammte Position zurück, jeder engagiert sich nach Kräften für das Gesamterlebnis. Die beeindruckendste Doppelrolle spielt aber doch die Geigerin Ariadne Daskalaris. Konzentriert führt sie ihre Mitmusiker als Konzertmeisterin durchs „Frühjahrskonzert in Sanssouci". Dann stellt sie sich als Solistin in die Runde und präsentiert ein atemberaubendes Tartini-Konzert. Tartini, das ist der italienische Barockmeister, der die berühmte „Teufelstrillersonate" geschrieben hat. Sein G-Dur-Konzert ist kaum weniger diabolisch. Die amerikanische Geigerin griechischer Abstammung beweist eiserne Nerven, stellt die vertracktesten Figuren mit müheloser Virtuosität aus. Dabei liegt über ihrem Vortrag eine Glocke der Anmut und der schlafwandlerischen Schwerelosigkeit. Auf Spezialisierung legt Ariadne Daskalakis keinen Wert. Die junge Geigerin interessiert sich für das klassisch-romantische Repertoire ebenso wie für Alte und Neue Musik. In Europa, Amerika, Japan und Israel war sie als Solistin und Kammermusikerin unterwegs. In Tel Aviv ist sie gemeinsam mit Yehudi Menuhin aufgetreten, beim ARD-Wettbewerb hat sie gewonnen, und die Kölner Musikhochschule hat sie vor vier Jahren als ihre jüngste Geigenprofessorin berufen. „Streichinstrumente sind generell herrlich, weil man mit ihnen singen, tanzen und sprechen kann", hat sie einmal gesagt. Im Tartini-Konzert kann man das ganz sinnfällig nachvollziehen. Sie gestaltet das Andante mit beredten Gesten wie eine Traumerzählung. Im Finale tänzelt ihr Bogen nur so über die Saiten. Und die gesanglichen Qualitäten ihres Spiels behält sie noch bei den schwindeligsten Hürdenläufen bei. Ihr warmer Ton atmet und entfaltet Gefühlsnuancen wie eine menschliche Stimme. Kommunikation ist ihr wichtig. Als Prima inter pares steht sie inmitten ihrer Musiker, lächelt und spornt sie an, als sei sie mit ihrem Teufelsgezwitscher noch nicht ganz ausgelastet. Sie begeistert das Publikum im Schlosstheater im Neuen Palais. Dann nimmt sie ganz bescheiden wieder Platz auf dem Konzertmeisterstuhl. Einen bunten Frühlingsstrauß mit Alter Musik aus zwei Jahrhunderten hat die Kammerakademie gebunden. Kaum zu glauben, dass Henry Purcell seine Oper „Dido und Aeneas" für eine Schulaufführung in einem Mädchenpensionat geschrieben hat. Zählt sie doch zu den großen Werken des bedeutenden Engländers. Kostproben daraus hat er in einer Suite zusammengefasst. Die Ouvertüre legt einen Samtteppich aus, den die unterschiedlichsten Charaktere betreten. Die Furien schleudern ihre Flüche so wild gegen die Felswände, dass sie kleine Geigenechos provozieren. Matrosen mit schlichtem Gemüt tanzen bodenständig, mit kraftvollen Akzenten den „Sailor''s Dance". Danach kommen die Hexen ganz garstig und knarzig daher. Wunderbare Miniaturen hat Purcell geschaffen. Mit plastischen Gesten und viel Fantasie hat er seine Opernfiguren knapp und präzise gezeichnet. Das Orchester weckt die sagenhaften Charaktere lustvoll und abwechslungsreich zum Leben. Für das Prinzip der Doppelchörigkeit ist Giovanni Gabrieli berühmt geworden. Als Organist der Kirche San Marco in Venedig hatte er zwei Emporen zur Verfügung, auf denen er zwei Ensembles positionieren konnte. Ganz so effektvoll kann die Kammerakademie seine Canzonen nicht präsentieren. Zwei mal fünf Musiker demonstrieren kunstvoll die filigranen, miteinander verflochtenen, mit vielfachen Echowirkungen ausgestatteten Stimmen der beiden Ensembles. Trotzdem – ein wenig Frühjahrsmüdigkeit macht sich breit. Sie verfliegt rasch mit Joseph Haydns Sinfonie „La Poule" (Die Henne). Unter der Leitung des Schweizer Dirigenten Mischa Damev hört man nicht so sehr das gackernde Huhn. Er setzt auf große, dynamische Kontraste, tobende Moll-Leidenschaften und markige, gestochen scharfe Akzente. Nichts plätschert freundlich dahin. Haydns Musik fließt über Stromschnellen und Wasserfälle. Unter der gepuderten Eleganz der Zeit sucht Damev Haydn, den Abenteurer, den Dramatiker, den Lehrer, dessen Ideen auf Beethoven weitergewirkt haben.

Sonja Lenz

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