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Verstehen wollen: Bettina Röhl, Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof.

©  Klaer

Von Dirk Becker: Kommunismus und Kommerz

Bettina Röhl stellte ihr Buch über ihre Mutter Ulrike Meinhof in Potsdam vor

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Immer wieder wird Bettina Röhl die Frage nach der Abrechnung gestellt. Und immer wieder muss Bettina Röhl erklären, dass ihr Buch keine Abrechnung sei, so schwer es den Fragenden auch fällt, das zu glauben. Bettina Röhl hat ein Buch über ihre Mutter geschrieben. Ein Fakt, der an sich kaum bemerkenswert erscheint, wenn ihre Mutter nicht Ulrike Meinhof sein würde.

„So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret“ heißt das Buch von Bettina Röhl, das vor zwei Jahren erschienen ist und das die Autorin am Mittwoch in der Landeszentrale für Politische Bildung in Potsdam vorstellte. Und auch an diesem Abend wurde Bettina Röhl die wiederkehrende Frage gestellt, ob dieses Buch als eine persönliche Abrechnung mit ihrer Mutter Ulrike Meinhof, die RAF-Terroristin und ehemalige Staatsfeindin Nr. 1, zu lesen sei. Sie antwortete höflich und mit Geduld, obwohl ein einziger Satz gereicht hätte: Lesen Sie einfach dieses Buch! Danach erübrigen sich solche Fragen!

In „So macht Kommunismus Spaß!“ erzählt Bettina Röhl nicht die Geschichte ihrer Mutter als RAF-Gründerin und Terroristin. Es ist kein Buch über die so viel zitierte und doch diffus bleibende 68er-Bewegung, denn 1968 endet „So macht Kommunismus Spaß!“. Auf den knapp 700 Seiten erzählt sie die Geschichte ihrer Eltern vor der politischen Radikalisierung von Ulrike Meinhof. Und gleichzeitig handelt dieses Buch von einer „Erfolgsgeschichte der DDR“, wie Bettina Röhl es nannte.

Wie so oft waren Verstehen wollen und Hintergründe offenlegen auch hier der Antrieb, dieses Buch zu schreiben. Mit Hartnäckigkeit hat sich Bettina Röhl auf die Suche nach der Akte Konkret gemacht, in der akribisch seitens der DDR der Aufstieg der Zeitung „Studentenkurier“ zur einflussreichen linken Zeitschrift „konkret“ dokumentiert wurde. Ihr Vater Klaus Rainer Röhl, als charismatischer und auch umstrittener Herausgeber und ihre Mutter Ulrike Meinhof als Chefredakteurin und mehr noch als Kolumnistin haben den Erfolg der Zeitschrift „konkret“ geprägt, die 1968 eine Auflage von 250 000 hatte. Und natürlich die großzügige finanzielle Unterstützung durch die DDR.

Einen monatlichen Zuschuss von bis zu 40 000 Mark westdeutscher Währung erhielten Klaus Rainer Röhl und Ulrike Meinhof für ihre Studentenzeitschrift, mit deren Hilfe die DDR-Führung die bundesdeutsche Republik propagandistisch unterwanderte wollte. Das sei dem Arbeiter- und Bauernstaat, der in so vielen anderen Bereichen grandios scheiterte, in diesem Fall hervorragend gelungen, so Bettina Röhl. „Eine wahre Erfolgsgeschichte“, an der ihre Eltern ihren erheblichen Anteil und auch genug Spaß hatten.

„Sie predigten die Vorzüge des Kommunismus, wurden finanziell unterstützt und genossen die Privilegien des Westens“, sagte Röhl. So mache der Kommunismus natürlich Spaß. Ein „Pop- und Luxuskommunismus“, in dem sich prächtig predigend ließ, weil niemand etwas entbehren musste. Neun Jahre lang steckte die DDR Unsummen in ihr Hamburger Zeitungsprojekt und belohnte Röhl, Meinhof und andere mit Erholungsurlaub in Caputh. Doch als die Finanziers in Ostberlin immer forscher wurden und mehr inhaltlichen Einfluss forderten, stellte sich das „konkret“-Team quer. Als daraufhin das Geld aus der DDR ausblieb, vermarkteten sie die erfolgreiche Zeitschrift und verdienten so gut, dass sie sich eine Villa in Hamburg leisten konnten.

Den folgenden „Aufstieg“ und der damit verbundene Eintritt in die Hamburger Schickeria bezeichnete Bettina Röhl als den Spagat zwischen Kommunismus und Kommerz, an dem unter anderem auch die Beziehung ihrer Eltern zerbrach. Es habe schon gewisse Züge von Schizophrenie, auf der einen Seite die Enteignung von Kapitalisten zu fordern und auf der anderen mit ihnen zusammen einträchtig zu feiern.

Im Ideal des Kommunismus sieht Bettina Röhl die Wurzeln für die Entwicklung ihrer Mutter und deren Radikalisierung. Ihr Buch ist auch als Gegenentwurf zum Mythos und damit verbundenen Inszenierung von Ulrike Meinhof und der RAF zu lesen. In „So macht Kommunismus Spaß!“ tritt dem Leser eine Ulrike Meinhof entgegen, die weniger Radikalität zeigte, sondern großen Gefallen am bürgerlich-luxuriösen Leben fand. Ein verstörendes, dadurch aber umso wichtigeres Gegengewicht zu den zahlreichen Darstellungen, die bewusst oder unbewusst, immer wieder dem Mythos RAF und so dem Baader-Meinhof-Komplex erliegen.

Bettina Röhl: So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2006, 29,80 Euro

Dirk Becker

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