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Klares, klassisches Design. Frauke Neumeier dreht zeitlose Keramik mit einem Hauch Antik.

© Andreas Klaer

Kultur: König Drosselbarts Töpferin

Frauke Neumeier hat eine Vision: Schönes Geschirr für jeden Tag

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„Warten Sie. Ich hole Ihnen einen frischen Stuhl, auf dem da bekommen Sie eine weiße Hose“, sagt Frauke Neumeier lachend zur Begrüßung in ihrem Atelier. Die Werkstatt, wie sie vermutlich bescheiden die Wortwahl korrigieren würde, ist mit zwölf Quadratmetern so eng, dass man Angst bekommt, etwas umzuwerfen. Bis zur Decke stapeln sich die halbfertigen Waren, die auf weitere Arbeitsschritte warten, und die Endprodukte, die noch nicht in Kisten verpackt wurden. Frauke Neumeier, gelernte Töpferin, tauscht ihren Platz an der Drehscheibe ein gegen den weiß gepuderten Stuhl. Die Besucherin sitzt luxuriös auf einem sauberen.

Der Weg zur Werkstatt führte über einen kleinen grünen Babelsberger Hinterhof, unter einer Wäscheleine voller blau karierter Männerhemden hindurch. Jetzt im Sommer ticke auch bei ihr die Uhr etwas langsamer, sagt sie. Wenn die drei Kinder (16, 13, 9 Jahre) wieder in die Schule müssen, klingelt früh um sechs der Wecker. Ganz egal, ob sie davor die Nacht durchgearbeitet hat, weil ihr gerade danach war. „Ich mache gern Nachtschichten, es ist dunkel, kein Telefon klingelt, nichts lenkt mich ab.“ Aber im Prinzip ist der Sommer so richtig nicht zum Ausruhen da. Im Herbst beginnt die Marktsaison, auch Frauke Neumeier wird dann überall wieder ihre „Potsdamer Keramik“ anbieten. Sie weiß aus Erfahrung: Wer erst auf den Weihnachtsmärkten das große Geschäft zu machen versucht, hat verschlafen: „Da haben doch schon alle alles“.

Seit zehn Jahren gibt es ihre Firma in Potsdam. Die weiße Keramik ohne Farbglasur ist ihr Markenzeichen. Sie will sich auf die Formen konzentrieren, keine Farbe soll ablenken vom klaren, klassischen Design. Zeitlos mit einem Hauch Antik das Gewand ihrer Geschöpfe, ob edle Pflanzgefäße für den Vorgarten einer Villa oder Eierbecher für das Frühstück im Himmelbett. Hin und wieder allerdings erlaubt sie sich freche Einsprengsel, Orientalisches, Ortsfremdes, Mitbringsel aus dem Urlaub. Eine interessante Blütenranke vom Markt, ein kurioses Detail von einer exotischen Frucht vielleicht, das ihr im Kopf hängen bleibt und irgendwann verarbeitet wird. Grundsätzlich aber bleibt sie der Klassik treu. Ehrgeizig wacht sie über ihre Qualität. „Ich bin ein pingeliger Dreher.“ Als Zugabe gibt es, sparsam verwendet, einen Goldanstrich. Einen zarten Reif am Tassenrand, am Knauf der Teekanne. Das I-Tüpfelchen. „Ist nicht jedermanns Sache, mancher fühlt sich an das alte Zeug der Oma erinnert, das er vielleicht gerade weg geschmissen hat, aber ich finde, es passt gut“, sagt Neumeier. Dass ihre Produkte auch mit der Stadt zusammenpassen, so gut, dass es sogar im Namen stehen sollte, hatte sie erst mit der Zeit gemerkt. Eines Tages hatte sie ihren Verkaufsstand direkt unterm Brandenburger Tor platziert, wie im Märchen König Drosselbart. „Da wusste ich, dass ich hierher gehöre“, sagt sie.

Eigentlich stammt Frauke Neumeier aus Rheinsberg („Ich bin somit Schloss-geprägt!“), macht nach dem Abitur ein 18 Monate langes Praktikum in der Bauabteilung der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten. Nach Jahren im Mädcheninternat eine Umstellung: Bis auf die Sekretärin eine Männergesellschaft, für Frauke eine willkommene Abwechslung. „Im Schirrhof mit den Maurern mitlaufen, in alle Schlösser und Gebäude rein dürfen, vom Dachfirst bis zum Keller, herrlich“, schwärmt sie noch immer. Nach Feierabend lässt man sie Werkzeuge benutzen und sich mit Sandstein ausprobieren. „Im Grunde wusste ich ja, dass ich was Handwerkliches machen wollte.“ Schließlich die Töpferausbildung in Görzke; die Lehrstellen im privaten Handwerk sind knapp und beliebt, der Meister lässt sie zuvor in den Ferien arbeiten und schaut sich das Mädel genau an. Dort produziert sie nun braunes, dickes Bauernsteinzeug, Sauerkraut- und Gurkentöpfe, wie es sie einst in jedem Haushalt gab. „Das passt natürlich nicht hierher nach Potsdam, in Stadtwohnungen mit Stuckdecke und Trallala“, schüttelt sie den Kopf. Ihr zart-weißes Geschirr dagegen schon. Wer wollte, könnte damit eine ganze Tafel festlich eindecken, auf ihrer Internetseite hat sie es vorgemacht. Doch auch Einzelstücke, ein Leuchter, eine Vase, eine große Obstschale, machen was her. Die Besinnung auf Preußens königliches Erbe, scheint es, hat auch Auswirkungen auf den Zeitgeschmack: die Zeit der Pinkeltopp-großen Kaffeetöppe, wie sie sagt, gehe langsam zu Ende. Jetzt würden mehr zierliche Espressotassen gekauft. Auch auf Bestellung arbeitet sie: Gerade hat sie für eine Freundin sechs Salatschüsseln gefertigt. Die mussten, so der Wunsch, besonders groß sein. Und in weißem Geschirr kämen Lebensmittel mit ihren eigenen Farben doch am besten zur Geltung. Ob das die Kleinen zu schätzen wissen, die zukünftig von ihren Kindertellern essen werden? Da steht mitten auf dem Teller eine handgroße Figur, ein buntes Prinzesschen für die Mädchen, die Jungs haben die Qual der Wahl, ein stolzer Prinz oder ein kühner Ritter. „Die Mütter wollen immer den Prinzen mit der goldenen Krone, die Jungs natürlich den edlen Ritter“, sagt sie lachend.

So ist es denn gut, wenn sie persönlich beim Einkauf beraten kann. Sie betreut die Stände, ob in Potsdam, Werder oder Berlin, am liebsten selbst, obwohl der große Sohn auch schon mithilft. Und hofft, dass die Leute sich zum Fest etwas Schönes gönnen – anstatt bei Nanunana Plastikdeko einzukaufen. „Dann stopfen die das nach drei Monaten in die Tonne, weil etwas Neues her muss – ist doch verrückt.“

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