Kultur: „Können Sie mir folgen?“
Werner J. Schwemmler sprach in der „arche“ zum Thema „Kosmos, Erde, Mensch“
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Werner J. Schwemmler sprach in der „arche“ zum Thema „Kosmos, Erde, Mensch“ Gott schuf die Welt nach seinem Plan, aber Luzifer, schönster und stärkster aller Engel, gehorchte nicht Seinem Befehl, er wollte sein wie Er und die Knie vor den Menschen nicht beugen. Mit Adam und Eva hatte der Herr Lichtgestalten geschaffen, dazu bestimmt, die neue Schöpfung zu verwalten, rein und fremd aller tierischen Art. Aber der Böse verführte das Weib, diese den Mann. Der verhängnisvolle Biss in die Frucht vom Baum der Erkenntnis machte Eva lüstern im Fleische. Gott erzürnte. So kam es, dass der Widersacher mit seinen Horden, genau ein Drittel der Engel, zusammen dem ersten Menschenpaar aus dem Himmel („zweites kosmisches Drama“) auf die bereits vorhandene Erde gestürzt wurde. Adam und Eva aber, „in tierische Wesen verwandelt“, trieben es fortan nach Art der Kreaturen miteinander. Zuvor war der „Urknall“, die Zeit, als alles begann und Engel und Seelen geschöpft wurden. Sie allein habe Gott „geschöpft“. Alles andere sei geworden, wie es Generationen von Schülern einstmals und jetzt erlernen, durch Evolution. In diesem Punkt, sprach Werner J. Schwemmler am Dienstag in der vollständig besetzten „arche“, hätten sogar die Autoren jenes Buches recht, welches zur Ostzeit jeder Jugendweihling in die Hand bekam – „Weltall Erde Mensch“. Sonst sei dieser Dickleiber „Partei-Ideologie pur“, und der in manchen Fächern beschlagene Redner fühlte sich also genötigt, mit „Kosmos, Erde Mensch“ ein besseres zu schaffen, kosmologisch, eschatologisch und dazu noch wissenschaftlich fundiert. Aus diesem Holz war dann auch sein fundamentaler Vortrag geschnitzt, den er in aller Hitze mit leiser Stimme vortrug, sich immer wieder vergewissernd, ob ihm das Auditorium auch folgen könne. Das war gar nicht so leicht, denn behufs Synthese zusammenzubauen, was Naturwissenschaft und Theologie über das Werden von Allem zu wissen glauben, haben seit Aristoteles schon ganz andere versucht. Zwar hat der TU-Professor, von der Evolutionsbiologie kommend, auch noch Chemie studiert, Politik und Psychologie, Philosophie und Theologie, doch brachte er eigentlich kaum Neues. Was die „Natur“ in Physik und Meta-Physik zu sagen hat, stellte er unter die ausgelaugten Begriffe Urknall, Evolution und Zufall. Solcherart Kenntnis verglich er dann mit passenden Stellen diverser Mystiker (Hildegard von Bingen zum Beispiel) und der Bibel, wobei ihm die Offenbarung Johanni besonders gefiel, schließlich habe er – die Kabbalisten kennen es längst – das „apokalyptische Siegel Gottes“ (Off. 7.2,3) enträtselt; man konnte es für einen Euro aufwärts käuflich erwerben. Nach Schwemmler gibt es zwei Schöpfungsberichte, aus welchen er die Evolution aller Dinge abzuleiten geruhte, eines hübsch nach dem anderen. Sie ist die heilige Kuh der Biologie. Dazu drei Offenbarungen Gottes, nach den Büchern der Bibel. Dem gefallenen Menschenpaar Adam und Eva, deren Treiben er „spekulativ“ mit den Nachfahren der Primaten (99 Prozent des schimpansischen Erbgutes stimmen mit dem Homo erectus überein) in Verbindung brachte, stellte er mit Maria und Joseph das neue und reine Menschenpaar gegenüber. Die Sintflut geschah, weil sich Menschen mit Tieren „mischten“, Gott solcher Nachkommenschaft aber eine Seele verweigert habe. Nur Noah mit seiner Familie enthielt sich dessen. Heute erstreckt sich die Herrschaft des „Fürsten der Erde“ (er verdarb auch die ganze Natur) wiederum über den Erdkreis, Staatsführer, Freimaurer, auch Bischöfe und Kardinäle stünden in seinen Diensten, „sogar im Vatikan“. Aber dafür entschuldigte er sich angesichts des überwiegend katholischen Auditoriums sofort, diesen Part habe er, wie so vieles, „nur zitiert“. Er verriet auch, wann er „aggressiv“ werde: Etwa wenn sich unkundige Theologen in die Naturwissenschaft einmischten. Doch verhielt sich Schwemmler anders? Leichter Unwille bei kritischem Nachfragen („Ich bin auch international anerkannt, sonst stünde ich nicht hier“), doch wer ihm ob seiner Evolutions-Storys nicht zu folgen bereit war, dem schenkte er sein Mitleid: „Man kann Ihnen diesen Standpunkt ja nicht übel nehmen, Sie kennen sich wohl nicht so aus“. Er weiß ja auch, was ein „selbst ernannter strenggläubiger Christ“ sei. Prima, so ein Gigant. Gerold Paul
Gerold Paul
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