Von Klaus Büstrin: Kontraste und Widersprüche
Der designierte HOT-Intendant Tobias Wellemeyer auf seiner ersten Pressekonferenz
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Es sind die Kontraste und die Widersprüche, die Tobias Wellemeyer an Potsdam so reizen. „Es ist eine Stadt, die rasant wächst, die mit Berlin verbunden ist und sich gleichzeitig von der Hauptstadt emanzipiert. Sie ist auch für Künstler motivierend.“ Dies will der designierte Intendant des Hans Otto Theaters in seiner ersten Spielzeit dem Publikum verdeutlichen, „in starken dramatischen Konfliktsituationen die Kontraste der Stadt aufgreifen und diskutieren“.
Gestern Nachmittag stellte er der Presse sich und sein neues Leitungsteam im neuen Theater am Tiefen See vor. Nur Geschäftsführer Volkmar Raback ist noch von der alten Crew geblieben.
„Wir wollen die Herzen des Potsdamer und auch des Berliner Publikums erobern. Dafür versprechen wir unsere ganze Leidenschaft und volle Verausgabung“, sagte Wellemeyer. Aber er zeugte auch gegenüber seinem Vorgänger Uwe Eric Laufenberg, der als Opernintendant im Sommer nach Köln wechselt, seinen großen Respekt. Er habe mit Sensibilität und mit Fantasie das rege Interesse am Theater stets wach gehalten.
Insgesamt werden in der Eröffnungssspielzeit Wellemeyers, die am 1. Oktober beginnt, 24 Neuinszenierungen im neuen Haus, im Schlosstheater im Neuen Palais sowie in der Reithalle A, die völlig umgestaltet werden soll, zu sehen sein. Dazu kommen elf Über- und Wiederaufnahmen von erfolgreichen Inszenierungen des Magdeburger Theater, in dem Wellemeyer noch bis zum Sommer als Generalintendant fungiert, sowie aus Potsdam. Darunter die eindrucksvolle Aufführung von „Staats-Sicherheiten“- 15 Geschichten aus dem Gefängnis.
Natürlich wird der Auftakt das gesamte Ensemble und alle Mitarbeiter des Theaters besonders herausfordern. Sechs Premieren sind geplant. Und zwar Ibsens „Wildente“, Shakespeares „Macbeth“, Goethes „Clavigo“, „Der Architekt“ von David Greig, Strindbergs „Fräulein Julie“ und Cornelia Funkes „Drachenreiter“. Dieses Stück gehört zu den 13 Produktionen, die für junge Zuschauer aller Altersklassen vorbereitet werden, darunter auch „Momo“ von Michael Ende. „Inszenierungen für Kinder- und Jugendliche gehören ins Zentrum der Theaterarbeit“, so der designierte Intendant.
Tobias Wellemeyer und Chefdramaturgin Ute Scharfenberg, die nach den Worten des Intendanten gemeinsam mit ihren Mitarbeitern zur „intellektuellen Windmaschine des Theaters“ gehört, werden auch in Potsdam ihre am Magdeburger Theater begonnene Sicht auf das kanadische Theatertexte fortführen, so mit „Weiß wie das Licht“ von Daniel Karasik und die Bearbeitung von „Die Aeneis“ von Olivier Kemeid. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls bereiten Lea Rosh und Renate Kreibich-Fischer wiederum ein Dokumentar-Theaterstück vor. In „Vom Widerstehen“ sollen prominente Bürgerrechtler wie Konrad Weiß, Ralf Hirsch, Wolfgang Templin, Ulrike Poppe und der Potsdamer Pfarrer Hans Schalinski vom Widerstand in der Diktatur DDR sprechen. Großes Interesse wird auch die Premiere von Elfriede Jelineks Stück „Die Kontrakte des Kaufmanns“ beanspruchen – ein beißender Kommentar auf die Todsünde Gier.
Die differenzierten Bedürfnisse eines differenzierten Publikums verlangen nach Kontrasten in den Erzählweisen des Theaters“, so Tobias Wellemeyer. Er setzt auf kraftvolle ästhetische Gegensätze. Die jungen Regisseure Annette Pullen, Lukas Langhoff, Sascha Hawemann oder Markus Dietz und andere, die in Potsdam inszenieren, sorgen für spannungsreiche Abende. Es sind Theaterleute, mit denen der Intendant bereits in Magdeburg für überregionales Interesse sorgte. Und ohne Schauspieler läuft natürlich nichts. Das neue Ensemble aus 25 Darstellern wächst mit Künstlern aus Magdeburg, Hannover, Dresden und Berlin zusammen. Aus Potsdam werden Rita Feldmeier, Friedrike Walke und Philipp Mauritz übernommen. Als Gast ist unter anderen das langjährige Mitglied des Hans Otto Theaters, Roland Kuchenbuch, zu erleben.
Wenn im Großen Haus an Freitag- und Samstagabenden so nach und nach das Licht ausgeht, wird es in der Reithalle hell. Dann wird dort nämlich zum „Nachtboulevard“ eingeladen. Neue Dramatik und Literatur, Performance und Dialog sowie Musik sollen sich hier ein Stelldichein geben. „Und wir wollen mit dieser Reihe auch tagesaktuell reagieren.“ Er soll sich als ein neuer Ort im Potsdamer Nachtleben etablieren.
Auch die Zusammenarbeit mit der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg will Wellemeyer intensivieren und mit der „Potsdamer Winteroper“ weiterhin kooperieren. Im November wird im Schlosstheater gemeinsam mit den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci sowie mit der Kammerakademie Potsdam Joseph Haydns Oper „ L’infedelta delusa“ wieder in den Spielplan wieder aufgenommen.
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