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Kultur: Kühlschrankpoesie

Der elfte Lyrikkalender des Literaturkollegiums Brandenburg

Stand:

Ein Spaziergang durch Potsdam kann ein ganzes Jahr dauern. Wenn die Impressionen am Wegesrand schlafende Gedanken wecken, die Worte sich mit Bildern verbinden und sich auf dem Papier fixieren: Stimmungen und Gefühle des Alltags gerahmt auf ein Langformat, das man sich an die Wand hängen kann. Wohnzimmerpoesie, Naturgefühle und Sehnsucht in Einem.

Zum elften Mal hat das Literaturkollegium Gedichte brandenburgischer Dichter, in diesem Jahr zusammen mit Bildern von Sebastian Kommerell, im „Lyrik-Kalender 2011“ versammelt. „Gedichte und Bilder, die ihr Eigenleben haben und sonst auf getrennten Wegen ihre Empfänger erreichen, sind in diesem Kalender vereint“, schickt Henry-Martin Klemt im Vorwort dem neuen Jahr voraus.

Sechs Autoren und sechs Autorinnen haben die Kalenderblätter beschrieben. Die Bilder des Malers Sebastian Komerell sind wie Eindrücke des besagten Spazierganges.

Manche Motive könnten von irgendwo stammen, andere sind eindeutig in Potsdam zu verorten. Einfache Skizzen, Aquarelle, bunte Zeichnungen, naiv, aber freundlich: wie die kleinen Gedichte fangen sie die kleinen Nichtigkeiten, die man so oft übersieht. Auf Wanderung mit Komerell durch das Jahr endeckt man im Januar „Blütenwunder im Schnee“ von Ute Apitz. Sonja Schüler führt die Spaziergänger im Februar durch „Sans Souci halb Acht“, eine Allee von schwarzen dünnen Baumstämmen, vorbei an den verschwommenen Umrissen des erleuchteten Palais von Sanssouci: „Das Lied der Amsel wärmt den Stein“ in dieser noch kalten, weißen Landschaft.

Keine großen Worte, aber welche, die doch jeder denken könnte, wenn er im März durch entblätterte Wipfel schaut, sind Gabriele Thiere aus der Feder aufs Kalenderblatt getröpfelt: „Du warst zu früh an meinem Fluss, und ich zu spät an deinem Ufer“. Jeder kennt dieses Gefühl, sich gegenseitig verpasst zu haben. Heraus stechen Elke Hübner-Lipkaus mystische Zeilen, „Wiedergeburt“: „Auf der Schale des Nautilus / wird der Mond stets neu geboren / und die grauen Falter fliegen, strömen wie ein dunkler Fluss / lautlos seinem Licht entgegen.“

Andere Poeme enthalten weniger tiefsinnigen Pragmatismus: „Wenn du nicht / sehen kannst, weil die Augen verschneiten / schlag den Kragen hoch, / guck durch das Knopfloch (...)“, rät Egbert Lipofski in „Winterfest“. In dieser kleinen Lyrik-Apotheke für den Hausgebrauch dürfte wohl für jedes lyrische Wehwehchen ein Kraut zu finden sein.

Eine große Schwäche des Kalenders ist sein Äußeres. Eine ruhigere Schriftgestaltung, vor allem ein einheitliches Aussehen des Ziffernblockes, der Verzicht auf die vielen Schatten unter den farbig animierten Lettern, sei dringenst empfohlen. Sie übertönen die Textgestaltung der Gedichte. Nicht jede Lücke auf dem Blatt muss unbedingt graphisch ausgefüllt werden. Mehr Raum gäbe auch mehr Raum für eigene Assoziatien zu den Bildern und Gedichten. Wenn dann noch ein paar Linien für Notizen auf den Kalenderblättern wären ... Undine Zimmer

Der Lyrikkalender 2011 kostet 10 Euro und ist erhältlich im Literaturkollegium, Charlottenstrasse 21 und in der Internationalen Buchhandlung.

, ine Zimmer

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