zum Hauptinhalt

Kultur: Kummerkasten Fernost

„Hotel Very Welcome“ auf der Potsdam-Berlinale

Stand:

Bis zum Wochenende lief die „Vorstadt“-Berlinale im Potsdamer Filmmuseum. Eine Auswahl aus der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ zeigte, wozu der deutsche Film fähig ist. Und es stimmt: im Filmmuseum gab es keine Warteschlangen, auch fand man sicher einen Platz. Nur waren im Gegensatz zur Berlinale auch selten die Macher der Filme anwesend, selbst, wenn das angekündigt war. So bei der Präsentation von „Hotel Very Welcome“, zu der ein Gespräch mit der Regisseurin Sonja Heiss auf dem Programm stand. Merke: Wenn es vor der Vorstellung heißt, die Protagonistin wäre „noch nicht hier, hoffentlich kommt sie noch“, bedeutet das in der Sprache der Veranstalter, dass sie ganz sicher nicht erscheinen wird.

Das ist bedauerlich, denn Heisses Abschlussfilm ihres Studiums an der Münchener Filmhochschule, der noch in der ZDF-Reihe „Kleines Fernsehspiel“ zu sehen sein wird, bietet genug Stoff für Diskussionen, zeigt er doch eine ziemlich unangenehme Seite der Globalisierung. Erzählt wird in vier Episoden von Menschen, die mit dem Rucksack nach Indien und Thailand aufbrechen. Sie sind Vertreter jenes Massenphänomens unter Europäern, die Asien auf ihrer Sinnsuche überschwemmen und nichts anderes mitbringen als Ignoranz der gastgebenden Kultur und eine Menge persönliche Probleme. Heisse, die neben ihrem Studium schon Werbefilme gedreht hat, hat offensichtlich genug von der glatten Konsumwelt. „Hotel Very Welcome“ kann als Anti-Werbefilm gegen europäische Dekadenz verstanden werden. Aber er setzt die beißende Kulturkritik in einer unfreiwilligen Komik um, die der halb-dokumentarischen Machart zu verdanken ist. Was soviel bedeutet, dass das Drehbuch die Dialoge vorgab, am Drehort aber keine technischen Veränderungen stattfanden.

Die fünf Charaktere, die die Kamera auf ihren Reisen begleitet, werden als weinerliche oder unsensible Trottel dargestellt. Der Ire Liam ist ständig bekifft von indischem Hasch und beichtet seinem Kamelführer auf einer mehrtägigen Reise, dass er zuhause betrunken ein Kind gezeugt hat. Den interessiert das sichtlich kaum. Er muss seine Familie ernähren, indem er vor Touristen durch den Wüstensand trottet.

Marion will im Ashram mit hunderten von anderen Touristen nachdenken und Spiritualität erfahren. Die Kamera zeigt das Yogazentrum, in dem allesamt in karmesinroten Kitteln und Badeanzügen herumlaufen, als die esoterische Spielart des Cluburlaubs. Laute Technomusik, zu der sich die Andächtigen im Kreis drehen, der Pool, an dem man Wellness macht und Gesangsrunden, bei denen zu Gitarre Naturpoesie angestimmt wird. Für die Betreiber offensichtlich ein Geschäft an kaputten Zivilisationsopfern, die sich freiwillig der Lächerlichkeit preisgeben.

Adam und Josh sind zwei Briten auf der Suche nach dem sexuellen Abenteuer. Sie sind auf den subtropischen Kontinent gekommen, um das zu tun, was sie auch zuhause tun würden. Tagsüber liegen sie am Meer von Goa auf dem Handtuch, zwischen sich Pommes, Sonnenmilch und Bier. Nachts tanzen sie vor riesigen Lautsprecherwänden und betrinken sich mit Blick auf den Sonnenaufgang.

Svenja hat ihren Flug verpasst. Den Operator am Telefon, der ihre Sätze aus Unkenntnis des Englischen einfach wie ein Papagei wiederholt, hält sie in ihrer Einsamkeit für einen Mann, der an ihr interessiert ist. Die Kommunikation zwischen Fremden und Besucher ist hier zu einer bloßen Wahnvorstellung geronnen.

In der Spiegelung der Urlaubsneurosen verwässert Sonja Heisse nur am Ende ihre witzige Konsequenz. Da treffen sich die beiden Kulturtrampel Marion und Liam und eine liebevolle Zuneigung wird angedeutet. Aber selbst innerhalb ihres eigenen Kulturkreises haben die beiden Schwierigkeiten, eine gemeinsame Sprache zu finden. „Ich liebe es, die Steine unter meinen Füßen zu spüren“, ist für ihn zu schwierig. Er bittet seine neue Bekannte: „Sag doch einfach, ,Ich mag Steine!““ Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })