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Für sie kommt Kunst von Können. Die Galeristin Friederike Sehmsdorf.

©  Manfred Thomas

Kultur: „Kunst braucht starke Charaktere“

Vor fünf Jahren eröffnete Friederike Sehmsdorf ihre Galerie Kunst-Kontor in Potsdam

Stand:

Frau Sehmsdorf, vor fünf Jahren sind Sie mit Ihrer Galerie Kunst-Kontor nach Potsdam gekommen. Wie sehen Sie die aktuelle Situation in Potsdam für Galerien und die bildende Kunst?

Für mich ist das Glas immer halb voll und nicht halb leer. Ohne den gewissen Optimismus, dass die Dinge besser werden, würde das gar keinen Spaß machen. Und ein solches Ereignis, wie die Kunsthalle von Hasso Plattner in der Stadt, ist natürlich für alle hier, die sich mit Kunst beschäftigen, ein gutes Signal und hat auch so etwas wie Aufbruchsstimmung gebracht.

Die Kunsthalle wird nun nicht im Zentrum der Stadt, sondern am Rand entstehen. War die Standortfrage für Sie ein entscheidendes Thema?

Eigentlich nicht, denn mir geht es um den Inhalt. Ich war ja damals auch auf dieser Demonstration für die Kunsthalle in der Innenstadt und da haben mich viele Leute gefragt: Wieso bist du denn hier, es ist doch viel besser, wenn die Kunsthalle da hinten am Jungfernsee bei dir in der Nähe steht?

Und ist das nicht besser?

Hier geht es doch viel mehr um den geistigen Input, der dadurch spürbar wird. Die Kunst hat hier über zwei Jahrzehnte nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit bekommen. Dass nach Plattners Entscheidung für eine Kunsthalle etwas in Bewegung gekommen ist, merke ich persönlich sehr deutlich. Es kommen jetzt plötzlich Anrufe und Anfragen von sonst wo her. Insofern ist das eher eine Frage des Inhaltlichen als der konkreten Standortbestimmung.

Das Inhaltliche der zukünftigen Ausstellung in der Kunsthalle muss Sie doch sehr ansprechen, schließlich ist das Thema die ostdeutsche Kunst.

Sie wissen, dass dies mein Thema ist, seitdem ich hier bin. Ich vertrete zwar nicht ausschließlich, aber in erster Linie Künstler aus den ostdeutschen Gebieten und auch sehr stark aus Brandenburg, weil ich ganz fest davon überzeugt bin, dass es da ganz viele Qualitäten gibt.

Zählt heute auf dem Kunstmarkt wirklich in erster Linie noch die Qualität oder ist es nicht eher die Kunst, sich entsprechend zu vermarkten?

Heutzutage kann man einen ganz eindeutigen Satz sagen: Die Kosten eines Kunstwerkes sagen überhaupt nichts über die Qualität aus. Das muss ich immer wieder unterstreichen. Insofern sind die Maßstäbe schwierig geworden. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass sich diese sehr gezielte Auswahl von Leuten, die auf die Kunsthochschulen gekommen sind, die eine sehr gute Ausbildung hatten und sich an anderen Künstlern, an Vorbildern oder Lehrern abgearbeitet haben, bezahlt macht. Da entstehen Reibungsflächen, die aus meiner Sicht sehr viel stärkere Charaktere hervorbringen. Und das braucht Kunst: starke Charaktere.

Können Sie Beispiele nennen?

Die aktuelle Ausstellung mit Plastiken und Malerei von Wieland Förster und Strawalde sind die besten Beispiele dafür. Trotz einer guten Ausbildung und einer guten Inspiration hat eine Abkehr von den Lehrern stattgefunden, also die Selbstfindung einer starken Künstlerpersönlichkeit. Viele Künstler wissen, dass das nur in der Auseinandersetzung mit starken Lehrerpersönlichkeiten stattfinden kann, oder auch in der Auseinandersetzung mit einer starken Kunstdoktrin. Das war ja praktisch der Pol ihrer Auseinandersetzung. Auch das ist etwas, was enorm herausfordert und nicht in die Beliebigkeit abwandern lässt. Das ist, glaube ich, etwas, was auch für die nächsten Generationen, die vielleicht über die politischen Dinge gar nichts mehr wissen, trotzdem noch spürbar ist. Dass das eine kraftvolle Kunst ist.

Ist es heute schwierig, solche kraftvolle Kunst zu finden?

Wenn man wie ich von der Kunstgeschichte kommt und sich ständig mit den schönsten Dingen der Welt konfrontiert hat, fällt es einem schwer, ich sage es jetzt mal so, in einer Ausstellungshalle bei einer Anhäufung von Mehl und Zucker mit einem Spaten darin Freude zu empfinden, sich inspirieren zu lassen oder überhaupt auch nur intellektuell angeregt zu sein. Angesichts dessen, was die Geschichte an Auseinandersetzungsmöglichkeiten für uns bereithält, finde ich das einfach langweilig. Ich will nicht moralisieren, aber ich bedauere es, dass immer mehr die Event-Kultur in den Vordergrund rückt.

Kunst ist doch aber immer auch Inszenierung?

Natürlich ist Kunst immer eine Inszenierung. Dahinter muss aber auch immer eine Idee stecken. Wenn diese Idee plausibel ist, also von etwas Geistigem, Intellektuellem getragen wird, muss man sie nicht mögen, aber man kann ihr folgen oder sich mit ihr auseinandersetzen. Wenn sie aber durch relativ abstruse Theorien, die keiner Nachfrage standhalten, die sehr individualistisch sind, getragen wird, habe ich meine Probleme.

Was bedeutet eine solche Entwicklung hin zur Event-Kultur für Sie als Galeristin?

Ich habe für mich beschlossen, dass es nicht der Weg ist, den ich gehen möchte. Ich habe einen bestimmten Weg eingeschlagen, den ich auch immer wieder hinterfrage, mich kundig mache und auch immer wieder daran zweifle, ob ich mich nicht zu sehr in einen Kokon einspinne. Aber ein Kriterium ist und bleibt für mich ausschlaggebend: dass ich ein bestimmtes intellektuelles Niveau nicht unterschreiten möchte. Kunst ist neben der sinnlichen Ausprägung auch eine ganz intellektuelle Angelegenheit.

Bedeutet Kunst für Sie Glück?

Glück ist es vielleicht nicht, aber es ist eine enorme Bereicherung. Glück hängt für mich immer mit Menschen zusammen. In der Auseinandersetzung mit der Kunst gibt es sicherlich glückliche Momente und Begegnungen. Aber sie ist für mich mittlerweile einfach eine Lebensessenz geworden.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Die Ausstellung mit Skulpturen und Malerei von Wieland Förster und Strawalde ist noch bis zum Samstag, dem 8. September, in der Galerie Kunst-Kontor in der Bertinistraße 16B, dienstags und mittwochs von 15-19 Uhr, donnerstags von 15-20 Uhr und samstags von 13-18 Uhr geöffnet

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