Kultur: Kunst im Kasten
Regionale Färbungen: die Oberbayern zu Gast in Potsdam / Ausstellung in der Galerie „M“
Stand:
Eine gute Sache, wenn sich die Sektionen des bundesdeutschen Künstlerverbandes gegenseitig besuchen. Gegenwärtig kann man in den Räumen des Brandenburgischen Verbandes im Luisenforum Positionen der Kollegen aus Oberbayern betrachten. Diese Ausstellung kommt schon auf den ersten Blick ziemlich anders daher als vieles, was man da schon gesehen hat. Besonders reisefähig ist die „Kunst im Kasten“, die für eine Ausstellung auf Mallorca gefertigt worden war.
Auf einer Art Spielwiese in der „Insel-Box“ von Thomas Neumaier rotiert etwas, das ein Meerschweinchen sein könnte. Das automatisch angetriebene runde Ding kommt nicht von der Stelle und lässt in seiner unendlichen Rotation an Sysiphos denken. Gegenüber hat Beatrix Eitel ihre „Strandkulissen“ in einer lang gezogenen Fotobox aufgebaut. Der Kasten steht auf einklappbaren Füßen, so dass man ihn einfach verschicken könnte. Könnte, denn die Ausstellung auf Mallorca ist nicht zustande gekommen, aber Eitel lässt dafür viel Strandersatz in ihrem Kasten sprechen: Unzählige Laubsägearbeiten sind hintereinander aufgereiht, die Inselschatten von Lesbos, Ios und Vis stecken vorne, Sardinien, Menorca und Mallorca ganz hinten. Durch das Guckloch wirkt es wie eine dreidimensionale Sammlung mediterraner Landschaften, die einen neuen Blick auf die eigenen Idealvorstellungen eines Inselurlaubs ermöglicht.
Konrad Risch hat eine schwarze Holzskulptur in ihre Teile zerlegt, der Korpus mit Kopf nach unten schaut aus seinem Stall, als verstünde er die Welt nicht mehr. Aber wer tut das schon? Christa Rausch bietet mit „Die Insel“ an zwei Kastenwänden eine afrikanisch anmutende Impression roter Nomadenzelte, deren zerfressene Hüllen hilflos an einem Baum zappeln und denen die Umgebung wie auch die Menschen zu fehlen scheinen. Rudolf Ackermanns, aufgrund der niedrigen Decke des Ausstellungsraumes nur halb aufgebaute, titellose Arbeit zeigt mit Kreidezeichnung auf dem schwarzen Kastendeckel an, wie die Installation eigentlich aussehen müsste und wirkt entsprechend gebrochen; Viktor Scheck bemalte die Außenseiten seines „Insula mea“ genannten Bretterkastens mit grün, rot und schwarz und lässt ein paar Figuren auf einer Horizontlinie laufen. Außer dem sysiphosartigen Meerschweinchenkreisel und den „Strandkulissen“ überzeugen diese Kastenarbeiten nicht. Zu hastig wirken sie gefertigt, als sei man schon bei der Produktion nicht davon überzeugt gewesen, dass die Reise nach Mallorca stattfinden könne.
Dafür aber gibt es einen zweiten Teil mit durchaus fruchtbaren Arbeiten, die sich dominant mit Religiosität auseinandersetzen, was ja in Bayern nahe liegt. Schweigend stehen die acht weißen Lämmchen von Heide Frahm auf dem hellen Holzfußboden und tragen ihre stumm blökende Ungewissheit über die Welt in den Raum; 100 Reisekruzifixe von Hans Dollinger aus Ton und Raku liegen aufeinander gestapelt auf den Fenstersimsen, bereit, auch auf Wanderschaft Trost zu spenden; und da hängen die „14 Nothelfer“ von Dagmar Hummel an der Wand, als könne man sie um Hilfe anflehen. Die Künstlerin bedient sich der Ästhetik traditioneller Heiligenbildchen, am unteren Rahmen sind die Namen angebracht, aber der Inhalt widerspricht unserer kirchlichen Kenntnis. Die Heilige Katharina steht ganz heutig mit rotem Pulli am Fenster mit dem Rücken zum Betrachter und schaut hinaus, als suche sie selbst die Hilfe der höheren Mächte. Und die „Kleine Liebeserklärung“ von Michael Graßl schaut als Holzskulptur ganz und gar nicht religiös, sondern bunt bemalt und ein bisschen schräg in die Welt, offenbar nicht überzeugt vom Ausgang der Liebesbitte. Babette Ueberschär liefert Hände als ästhetisch ansprechende Gemälde und auch in einer Collage aus Latex und Transparentpapier: Die Finger der Latexhandschuhe ragen zaghaft aus dem Ensemble hervor, als wollten wenigstens sie einen Schutz bieten vor den Unbilden möglicher Krankheiten.
Die Ausstellung liefert auf unterschiedlichen Qualitätsniveau den Eindruck, dass in anderen Regionen tatsächlich anders gearbeitet wird. Schon allein deshalb ist sie sehenswert.
Bis 10. Juni, Galerie ''M'' des BVBK, Hermann-Elflein-Str. 18 (Luisenforum), Mittwoch bis Freitag 12 - 17 Uhr, Samstag und Sonntag, 13 - 18 Uhr
Lore Bardens
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