
© Andreas Klaer
Kultur: Kunst und Leben
Die Ausstellung „Solid & Liquid – über Grafik-Design und visuelle Kultur“ im Inselpavillon
Stand:
Massive Bänke aus braunem Holz mit klobigen, silbernen Eisenfüßen stehen auf der Freundschaftsinsel an Wegen aus sandfarbenem Kies. Dazwischen strecken sich silberne Laternen sehr schlank und sehr platzsparend gen Himmel – die großen, luftballonförmigen Glaskugeln, in denen sich die Glühlampen befinden, schützen flache, dunkelgraue Teller aus Metall gegen Fremdkörper von oben. Unwichtige Beschreibungen? Eigentlich nicht. Sie zeigen, was kaum noch auffällt: Jedes Produkt, jeder Gegenstand, der uns im Alltag begleitet, ist mittlerweile designt. Designt wurde auch der schlichte Glaskubus, der inmitten der blühenden Beete auf der Freundschaftsinsel steht. Die gläsernen Wände lassen die Grenzen zwischen innen und außen verblassen – und wollen so wohl eine Integration der Kunst ins Treiben der Parkbesucher, eine Wechselwirkung zwischen Natur und Künstlichkeit begünstigen.
Kunst ins Leben zu integrieren, das ist auch der Anspruch derjenigen, die gerade in diesem Pavillon ausstellen: 29 Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst aus Leipzig, deren Dozent Oliver Klimpel und einige andere Designer zeigen ihre Arbeiten und Ideen im Rahmen der Ausstellung „Solid & Liquid – über Grafik-Design und visuelle Kultur“. Auf Einladung des Brandenburgischen Kunstvereins ließen sie hier eine multimediale Schau mit Filmen, Fotografien, Möbelstücken und Soundcollagen entstehen, die am Samstag eröffnet wurde.
Hilde Gahlen beispielsweise fertigte in ihrer Arbeit „Das Ideal“ Architekturporträts, die, auf hochwertigem Papier gedruckt, neben- und übereinander an der weißen Galeriewand hängen. Die ergänzenden Bilder und Fotografien sind schwarz/weiß, blau oder rot gefärbt. Es sind Informationsdrucke über berühmte Bauprojekte, die alle auf eine gemeinsame Grundform zurückgreifen: den punktsymmetrischen Kreis. Da werden die Ringsiedlungen der architektonischen Avantgarde in den 1920er-Jahren mit dem geplanten Mega-Glasring des neuen Apple-Firmensitzes verglichen, das Gefängniskonzept „Panopticon“ mit den architektonischen Entwürfen Claude-Nicolas Ledoux’. Hier werden Informationen nicht nur vermittelt – es wird auch mit der Art gespielt, wie sie präsentiert werden.
So konkret will Timo Hinze in seinem Projekt „Die Flüssige Fabrik“ gar nicht werden. Er philosophiert visuell, in welchen Bereichen unseres Lebens Wasser eine Rolle spielt. Bilder von Nektarinen, einem Gymnastikball, einem Glas Latte Macchiato hängen da nebeneinander. Um das großformatige Bild einer unruhigen, dunklen Wasseroberfläche zu betrachten, das mit erstaunlich feiner Qualität auf Hochglanzpapier gedruckt wurde, darf man sich auf Hinzes silberne Sitzsäcke setzen. Silberne Sitzsäcke. Trotz trashigen Charmes – sind die wirklich noch innovativ? Wie auf dem Wasser fühlt man sich darauf jedenfalls nicht. Hinze hat aber noch was zu sagen: Auf einem Bildschirm neben dem Hochglanzdruck ist die Simulation einer goldenen, halb im Ozean versunkenen Weltkugel zu sehen. Eingeblendete Untertitel erklären dem Besucher, wofür das Wasser-Motiv steht: „Das kann man gar nicht gut in Worte fassen, aber das Wasser fesselt einen einfach auf eine starke Art und Weise, wie es nicht einfach ist, Menschen in einer Fabrik an ihre Arbeit zu fesseln.“ Deshalb gebe es Zen-Gärten, Waterwalls, Wasserspender und Bildschirmschoner mit Unterwassermotiven am Arbeitsplatz. „In diesem Umfeld geht es nicht mehr um Kommando und Fabrikarbeit, das Wasser symbolisiert sozusagen eine neue Freiheit.“ Manchem mag diese Schlussfolgerung sehr gewollt erscheinen. Es tut sich hier aber noch ein ganz anderer Aspekt von Visuellem auf: Wird es mit Sprache kombiniert, muss diese angemessen sein – sonst geht dem Projekt die Ernsthaftigkeit verloren.
Sehr professionell wirken dagegen die Dokumentationen der Studenten, die visuelle Erscheinungsbilder für ein Leipziger Forschungsinstitut und für die Görlitzer Sammlungen entwickelten. Hierfür designten sie Logos, Briefköpfe, Buttons und Internetauftritte.
Design bewegt sich zwischen den Welten: Im Gegensatz zur Freien Kunst hat Design auch den Anspruch, funktional und zweckdienlich zu sein. Andererseits ist das Sinnliche, Innovative genau das, was Design ausmacht – schon lange geht es nicht mehr um das pragmatische Herstellen von praktischen Gegenständen. Schon seit über 100 Jahren designen Firmen sogar ihre Identität. Dass in dieser Ausstellung das Spiel mit unterschiedlichen Drucktechniken so präsent ist, ist auf die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zurückzuführen, aus dessen Umfeld die Ausstellenden stammen: 1764 gegründet, ist sie eine der ältesten Kunsthochschulen Deutschlands. Maßgeblich für das Studium sind ihre aufwendig ausgestatteten Werkstätten, in denen Kunsthandwerk noch traditionell erlernt werden kann. „Hier gibt es eine Verbindung von Tradition und Handwerk mit modernem Design und freier Kunst – man kann sich voll ausleben“, sagt einer der Studenten auf die Frage, warum er an der HGB studiere.
Dass sich die Studenten voll ausleben können, den Eindruck gewinnt man in der Ausstellung leider nicht. Viele Projekte erschließen sich nur sehr mühsam und erst nach eingehender Lektüre des kostenpflichtigen Begleithefts. Viele Besucher, die die Ausstellung zufällig auf einem Parkspaziergang über die Insel entdecken, werden den Pavillon wohl gelangweilt wieder verlassen – ob Kunst und Design so in das Leben eingreifen können, bleibt fraglich.
„Solid & Liquid“ im Ausstellungspavillon auf der Freundschaftsinsel, Zugang über die Lange Brücke, ist noch bis zum 22. Juli zu sehen. Geöffnet von Dienstag bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei
Linda Huke
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