Kultur: Kunstevent für die ganze Familie
Am 1. Advent öffnen sich wieder Potsdamer Künstlerateliers und Galerien
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Künstler und Künstlerinnen gibt es so viele, wie es Ideen und Träume gibt. Eine, die ihre Bilder durch südsibirischen Schamanismus inspirieren lässt. Einen, der selbst bei Regen durch Brandenburg radelt, das er so liebt, und von dessen Licht er schwärmt. Einen, der Größenwahn zum Programm macht und nicht mehr als die ganze Welt – einfach alle Motive – malen will. Und einen, der seine Galerie „umstrukturiert“ hat, weil er seine gut ausgebildeten Künstler von der Gesellschaft nicht genügend honoriert sieht.
Das sind nur einige der Künstler und Galeristen, die sich in Potsdam am Tag des „offenen Ateliers“ über die Schulter schauen lassen. Ist Potsdam eine Stadt, in der die Künste gedeihen? Kunstschaffende und Kunsthandel haben sich in der Landeshauptstadt ihre Nischen gesucht. Aber ob sie dabei gedeihen? Profitiert die Stadt, die durch ihre Künstler an Attraktivität sichtbar gewinnt, mehr, als sie zurück gibt? Am Sonntag kann man direkte Fragen stellen und nach Antworten suchen. Zweimal im Jahr laden Ateliers und Galerien, um sich hinter die Kulissen schauen zu lassen, fast überall gibt es Kaffee, Kuchen und Glühwein, oft sogar ein kleines Programm. Allein 27 Orte im Stadtgebiet sind in der vom Kulturamt zusammen gefassten Broschüre verzeichnet. Hinzu kommen die vielen Adressen im Umland. Dem Besucher verspricht die Leiterin des Kulturamts, Birgit-Katherine Seemann, bei der Vorstellung des üppigen Programms „ein Vorweihnachtsevent für die ganze Familie.“
Zum Pressetermin traf man sich im Efeu umrankten Hinterhofatelier von Olaf Thiede in der Tuchmacherstraße, um dieses Jahr besonders auf die Kunstszene in Babelsberg hinzuweisen. Thiede bringt dort jene märkischen Landschaften in Pastell auf den Karton, die er auf ausgedehnten Radtouren durch das Havelland entdeckt. Seit 1996 erscheint sein Kalender mit Seenlandschaften, Bauernhäusern, Wald- und Wiesenszenen. Das besondere Licht seiner Heimat, Wolkenschatten und Regentage will er festhalten. Jedes Jahr gestaltet er außerdem das Poster für den Webermarkt. Er hält sich, wie er sagt, als freier Künstler „über Wasser“ und gibt Bücher über Potsdam heraus.
Holger Herr ist Inhaber einer Galerie und sucht mit ihr nach neuen Wegen in der Kunstvermarktung. Er meint, gewöhnlich werde Kunst zum Nulltarif konsumiert. Institutionen, ob staatlich oder privat, schmückten sich gerne mit Künstlern, freilich ohne angemessene Honorierung. „Ganz klar“, sagt er, „das geht so nicht.“
Eine Randnotiz ist es in diesem Zusammenhang wert, dass sich auch das Oberbürgermeisteramt mit Kunst umgibt, die bislang nur kostenneutral entliehen wurde. Der Künstler, zufällig der Gastgeber Thiele, sieht die sich seit Jahren hinziehende Suche nach den versprochenen „Sponsoren“ freilich gelassen.
Angela Frübing gibt Malkurse und ist auch als Restauratorin tätig. Ihr kürzlich restauriertes Haus in der Wollestraße direkt am Park Babelsberg wird am Tag der offenen Tür auch gerne von Architekturfreunden besucht.
Arjopa Limburg wurde schon „Reinkarnationsunfall“ genannt, weil sie sich bis zu ihrem Auftreten bei dem Gespräch dem Schamanismus der Tuva völlig verschrieben hat. Das autonome Gebiet des sibirischen Volkes liegt in Zentralasien. Man vergnügt sich dort mit skurrilem Khoomi-Kehlkopfgesang, den die Künstlerin als ausgebildete Sängerin neben der Malerei auch beherrscht. Die Bilder, die sie malt, kehrten die Kraft- und Innenwelten der Schamanen nach außen, wie sie erklärt. Das habe viel mit Trance zu tun, ohne Wodka oder Fliegenpilz ginge nichts bei den Schamanen. Andreas Schiller beschloss irgendwann, „Apfelmaler“ zu werden und schaffte es damit in New Yorker Galerien. Nun erklärt er im Geiste seines großen Vorbilds Joseph Beuys den Größenwahn zum Programm. Er will jetzt schlicht „die ganze Welt“ malen, die Motive dazu nennen ihm die Auftraggeber. Bis zu seinem Lebensende könne er von seinen Aufträgen leben, schließlich würde er, der in Halle studierte, zur Leipziger Schule gezählt werden. Auf dem Clubschiff „Aida“ unterhalten er und sein Manager zudem eine Galerie. Eigentlich, sagt Schiller, lebe ein Künstler jedoch von „Liebe, Zuneigung und Anerkennung“ seines Publikums.
Am „Tag des Offenen Ateliers“ ist es an den Potsdamern, ihren Künstlern diesen Lohn auszuzahlen.
3. Dezember, Info: Kulturamt, Broschüre „Offene Ateliers 2006“ und über www.potsdam.de
Matthias Hassenpflug
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