Kultur: Kunstklau
HBPG-Chef erörterte „Wem gehört die Kunst?“
Stand:
Seitdem es die „bürgerliche Zivilgesellschaft“ gibt, verpflichtet „Eigentum“ natürlich mehr, als früher nur „Adel“. Eigentum ist gleichsam das Heiligtum dieser Gesellschaftsform, ihr Blut und Fleisch, ihr Motor. Wenn also die Urania einen Vortrag zum Thema „Wem gehört die Kunst?“ ankündigt, wird das wohl fast notgedrungen mit einem solchen Axiom zu tun haben. Hatte es am Dienstag auch, obwohl sich das große öffentliche Interesse am Thema „Herkunft und Rückgabepflicht geraubter Kunstgüter“ nicht zwingend an der Zahl der Zuhörer festmachen ließ. Wie intensiv die Museen mit diesem Thema beschäftigt sind und werden, wüssten viele gar nicht, so der Chef des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kurt Winkler. In der allgemeinen Wahrnehmung dominieren meist Themen wie Museumsbau und Beutekunst, letzteres mehr vom aktuellen Anlass her gesehen. Wem also gehören nun die mehrfach gestohlene Pferdegruppe von San Marco, wem die echte Nofretete zu Berlin? Die Sieger haben ja immer geklaut und gemopst, ob sie nun Doge, Napoleon, Hitler oder Stalin hießen.
Leider fiel dieser Teil des wahrlich großen Themas aus, den Referenten beschäftigte fast ausschließlich die Frage, wie man das von den Nazis geraubte Kunstgut ausfindig machen und seinen jüdischen Besitzern zurückgegeben könne. Insofern wollte er den „verfolgungsbedingten“ Kunstraub zwischen 1933 und 1945 mit keinem anderen verglichen wissen, denn „Unrecht kann nicht historisch relativiert werden!“
Den amtierenden Dogen hat das um 1204 wenig interessiert, als man sich mit der Beute aus Konstantinopel schmückte. Auch Napoleon wusste, warum er die Berliner Quadriga Anfang des 19. Jahrhunderts in Paris haben wollte. Der Fall Nofretete („kein Kunstraub!“) wurde 1912 zwar einigermaßen rechtens durch ein Losurteil geklärt. Als die Ägypter später dennoch intervenierten, entschied Adolf Hitler den Streit 1933 durch sein sehr nachhaltiges Veto.
Wenn Eigentum also so sehr verpflichtet, dann wird ein Gesetzgeber immer Wege finden, es zu legitimieren. Nach einer dem Jüdischen Museum entlehnten Definition, so hörte man, sei „Kunst“ ja ein „Vermögen der besonderen Art“, welches sowohl Kapital- als auch Prestige-Charakter habe. Und notfalls sogar als Bürgschaft bei der Bank verpfändet werden kann ...
Mit der allgemeinen Anerkennung der „Restitutionspflicht“ vor und nach 1990 kam auf die Museen viel Arbeit zu, denn der Gesetzgeber drehte die Beweisführung um: Deutsche Museen sind bis Ultimo damit beschäftigt, zu beweisen, dass ihre Erwerbungen während der NS-Zeit nicht aus jüdischem Besitz stammen. Wo es um Gebrauchsgut wie Goldschmuck, Möbel oder Tafelsilber gehe, sei das beinahe unmöglich, er wisse das aus eigener Erfahrung. All das behindere die Erfüllung der eigentlichen Museumsarbeit erheblich, sagte Kurt Winkler.
Erst im Epilog und auf Anfrage kamen die Rückgabe von Beständen der Dresdener Gemäldesammlungen durch die Russen 1955 wie auch ein US-Pendant (Empfänger waren immer die Regierungen) zur Sprache. Dabei stieß man auf ein ganz unerforschtes Gebiet: Haben die West-Alliierten neben Lizenzen und technischem Know How nun auch Kunst geklaut, und wie ist das bei heutigen Konflikten? Unbekannt, bisher nur Spekulation, erwiderte der Historiker.
Und wem gehört nun „die Kunst“, die verpflichtende? So eindeutig sei das nun auch wieder nicht ...Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: