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Kultur: Laienspiel um Daphne und Medusa

Barock und Tango im Havelschlösschen

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Wer sie anschaut, wird durch ihren bösen Blick versteinert. So überliefert es die griechische Mythologie bis auf den heutigen Tag. Sthenno, Euryale und Medusa heißen die drei geschwisterlichen Ungeheuer, die weit im Westen wohnen. Fratzenhaft verzerrte Züge, Schlangen im Haar und furchtbares Brüllen zeichnen sie aus. Als Medusa vom Meeresgott Poseidon schwanger wird, schlägt ihr der Zeus-Sohn Perseus den Kopf ab. Wobei er sich, um ihren versteinernden Blick zu meiden, eines Spiegels bedient. Diese Enthauptung beruhe allein „auf einer Intrige der blöden Verwandtschaft auf dem Olymp“, räsonieren die beiden unsterblichen Hinterbliebenen. Doch wie nun leben ohne ihre Schwester?

Sie eröffneten, in barocküppige und verwegene Kostüme gehüllt, am vergangenen Donnerstag ihren „Medusa’s Beauty Salon“ – und zwar mitten im Klein Glienicker Kammermusiksaal Havelschlösschen. Sie priesen Krötenschleimmasken, Spinnweben und andere kosmetische Unsäglichkeiten an, die natürlich das Gegenteil von Schönheit erzeugen. Als erstes Opfer ihres Tuns erwählten sich Sthenno und Euryale (hinter der sich die Gambistin Christiane Gerhardt sowie der Sänger und keltische Harfe spielende Niels Badenhop als Duo „Celeste Sirena“ verbergen) einen Mann aus dem Publikum, expedierten ihn in die mit reichlich Requisiten ausstaffierte Szenerie.

Was nach einer vergnüglichen und intelligenten Persiflage auf die griechische Mythologie hoffen ließ, entpuppte sich bald als eine laienspielhaft aufgeführte Klamotte. Man erzählte sich und dem Publikum olympischen Klatsch und Tratsch von Alkmene und Amphitryon, von Europa und dem lüsternen Zeus. Doch wer kennt sie heute noch, die Halb- und Vollolympier? Und so setzte man in der witzlos-stümperhaften Textvorlage für ein Theaterstück auf aktuelle Zeitbezüglichkeiten. Doch wo blieb denn nun die programmzettelversprochene Musik? Nur drei Titel waren es, darunter das vom Barockliedmeister Adam Krieger vertonte „Verliebtes Weinen und Lachen“.

Diesem erstmals vorgestellten Theaterversuch als Vorprogramm folgte der rein musikalische Hauptgang „Daphne“, ein Crossoverprodukt aus Barockmusik, Tango und Chansons. Mit dem Mythos der gleichnamigen Tochter des griechischen Flussgottes Peneios, die dem Liebeswerben des göttlichen Apollon ausweicht und auf ihre Bitten hin von ihm in einen Lorbeerbaum verwandelt wird, hatte die 14-teilige Nummernfolge allerdings nichts zu tun. Dennoch schmeichelte sie den Ohren ganz vorzüglich. Dafür sorgten neben Gamben, Gesang und Harfe die Mitstreiter Jakob Gerhardt, der auf seiner Jazztrompete nicht nur dem Tango, sondern auch frühbarocken Stücken einen unwiderstehlichen Reiz verlieh. Auf der Barockgitarre zupfte Matthew Jones solistisch „Prélude und Passacaglia“ von Francesco Corbena mit zärtlichstem Ausdruck. Auch auf der Theorbe rundete er manche Piece klangliche ab. Zu den wechselnden Besetzungen gesellte sich auch die Percussionistin Anja Hermann, die manchem mittelalterlichen Stück rhythmisches Raffinement hinzumischte. Schließlich sorgte der Sänger mit dem „Amsterdam“-Chanson von Jacques Brel für ein ausdrucksstarkes „Daphne“-Finale. Als Zugabe erklang „Le petit fleur“ mit swingender Jazztrompete und Kastagnettenwitz. Herrlich. Peter Buske

Peter Buske

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