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Wiener Belvedere-Orchester im Nikolaisaal: Lalala mit Schmiss

Was ein richtiges Jahresauftaktkonzert sein will, kommt ohne galoppierende, polkahüpfende Strauß-Klänge nicht aus. So auch beim Auftritt des Wiener Belvedere Orchesters am Mittwoch im überschaubar besetzten Nikolaisaal, das mit seiner Johann-Strauß-Gala gute Laune im Überfluss verbreiten will.

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Was ein richtiges Jahresauftaktkonzert sein will, kommt ohne galoppierende, polkahüpfende Strauß-Klänge nicht aus. So auch beim Auftritt des Wiener Belvedere Orchesters am Mittwoch im überschaubar besetzten Nikolaisaal, das mit seiner Johann-Strauß-Gala gute Laune im Überfluss verbreiten will. Ein Programmheft gibt es nicht, auch die kostenlos verteilten Nummernzettel werden alsbald zur Mangelware. Was eigentlich nicht weiter schlimm ist, denn die abgedruckte Abfolge stimmt ohnehin nicht mit dem tatsächlich Erklingenden überein. Und so übernimmt Dirigent Michael Maciaszczyk diese Informationspflicht, damit sich die Zuhörer keiner mühsamen Spurensuche unterziehen müssen. Volle Konzentration auf das Musizierte.

Die in Kammerorchesterbesetzung agierende Belvedere-Truppe beginnt ihre Wohlfühlofferte mit der „Zigeunerbaron“-Ouvertüre und zeigt damit, dass sie einen opulenten, ziemlich vorlauten, bisweilen zackigen und forcierten Sound bevorzugt. Zur Kontraststeigerung werden Tempi entweder maßlos verschleppt oder betont furios bis lärmend gespielt. Da bleiben Charme und Eleganz noch auf der Strecke. Schmissig und polkaschnell werden wenig später „Freikugeln“ gespielt, geht es „Mit Extrapost“ und „Unter Donner und Blitz“ weiter gen Süden, ins Land „Wo die Zitronen blüh'n“ und „Wein, Weib und Gesang“ von Dreivierteltaktigen Vergnüglichkeiten künden. In diesen Walzergefilden fühlen sich die Musiker nunmehr hörbar wohler und haben sich auf die diffizile Raumakustik eingespielt. Schwungvoll und schwebend wechseln Schmiss und Eleganz, sorgen emporschnellende Aufschwünge, winzige Zäsuren, klitzekleine Auftaktverzögerungen für jene unumgänglichen Zutaten, die einen Wiener Walzer nebst dazugehörigem Schmäh erst zu dem machen, was er ist: eine tänzerische Offenbarung. Über die allerdings die vier Mitglieder des Wiener Hofballett-Ensembles leider nicht im erforderlichen Maße verfügen. Während die beiden Damen sich leichtfüßig drehen, sicher springen und anmutig posieren, wirken ihre hölzern sich bewegenden und unsicher stehenden Partner eher wie brave Dienstleister für Hebungen und als Haltestangen für die Ballerinen.

Aparte Zutaten lockern das Strauß-Bukett jedoch auf. Wie Dmitri Schostakowitschs mit schmachtender Hingabe musizierter „Walzer“, Leroy Andersons witzige „Sandpaper“-Piece und unterhaltsame Orchesterbegleitung. Ganz auf Lust und Begierden setzen die Schmachtfetzen des Musicalkomponisten Janusz Bielecki, die mit neoromantischem Gefühl nur so protzen. Das erwärmt auch das Publikum, das zuvor bei der Strauß-„Bauernpolka“ vom Dirigenten zum Mitsingen eines „Lalalalaaa“-Textes genötigt wurde. Abgesehen von dieser Peinlichkeit nach dem finalen „Radetzky-Marsch“ sieht man nur noch fröhliche Gesichter. Peter Buske

Peter Buske

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