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Dieser Mann entspringt dem Herzen Afrikas: Ola Onabule.

©  Manfred Thomas

Kultur: Lebenstrunken

Eindringlich und herzerweichend: Ola Onabule tanzte mit den Potsdamern im Nikolaisaal

Stand:

Er gilt als der beste britische Soulsänger, doch niemand kennt ihn. Jedenfalls nicht in Potsdam. Damit ist jetzt Schluss. Ola Onabule – sein richtiger Name ist so lang wie der des deutschen Wirtschaftsministers, doch wesentlich exotischer – entfacht am Freitagabend im Foyer des Nikolaisaals ein Feuer, das nicht nur wärmt, sondern Funken schlägt. Nichts von zugeknöpfter englischer Coolness: dieser Mann entspringt dem Herzen Afrikas.

Mit weißem Handtuch betritt der muskulöse Matador den Ring und man ahnt: Es wird schweißtreibend. Seine markante Stimme ist dunkel wie die Nacht und erhellend wie die Morgenröte. Als Vocal-Akrobat kreischt er wie Frauen auf einem Basar, quakt wie liebestolle Frösche, explodiert wie schwarze Gewitterwolken. Der ganze kräftige Körper ist Musik. Ola Onabule kniet sich in den Soul hinein und schon beim zweiten Titel fällt das Sakko. Rinnsale laufen über den kahlgeschorenen Kopf, den er wie ein Huhn vor und zurückzieht, als gelte es, noch unglaublichere Töne aufzupicken. Zu funky, zu groovy?, fragt er mit seinem breiten sympathischen Lächeln. Nein, die Potsdamer haben längst angedockt an diesen Tanker der Energie. Vor jedem neuen musikalischen Abenteuer in den Weiten des Jazz, Funk oder lateinamerikanischer Klänge schließt der Sänger kurz die Augen, wie um sich seiner selbst zu vergewissern. Dann treibt er hinaus, lässt sich tragen von den Wellen der Gefühle, ohne Angst zu kollidieren. Er bäumt sich auf, versinkt, holt Luft und treibt weiter.

Er feiert seine sechste CD „The Devoured Man“ (Der aufgefressene Mann) wieeinen Kindergeburtstag mit imaginären bunten Luftballons und Papierschlangen, die sich um das Publikum winden. Aufgefressen? Vielleicht von den Geheimnissen der Frauen, die Ola Onabule so wahnsinnig anziehend findet, doch deren Mysterien er sich nicht gewachsen fühlt. Ja, und sollten sich die Männer im Publikum auch nicht trauen, den Frauen ihrer Träume die Liebe zu gestehen, sollen sie doch einfach seinen Song auflegen. Damit dürften sie die richtige Karte ausspielen. Eindringlich, herzerweichend, dann wieder rotzfrech und schräg: so packt er die Musik beim Schopfe und hat in seinen fünf Mitstreitern die beste Villa Kunterbunt-Besetzung an Bord. Die Dialoge zwischen Percussion und Drums, Gitarre und Stimme verschmelzen zu Zwiegesprächen, die es so wohl nur unter Seelenverwandten gibt.

Ola Onabule war sieben Jahre, als er aus England mit seinen Eltern in deren Heimat Nigeria zog. Die Musik Afrikas nahm er mit, als er nach England zurückkehrte. Und sie war es auch, die ihn drei Monate vor dem Jura-Examen einen anderen Weg wies. Den für ihn bestimmten. Der Sänger, der schon mit Roberta Flack, Natalie Cole, Al Jarreau und Paul Robson auf der Bühne stand, ist ein ganzer Chor, eine einzige Stimmflut. Schließlich schafft er es, sogar in dem brav bestuhlten Foyer die Ersten zum Tanzen zu bewegen. Am Ende klebt niemand mehr an seinem Platz. Onabules neue Freunde feiern enthusiastisch mit, schwingen ihre Hüften und wollen mehr.

Anders als vor 16 Jahren, als der Funk-, Blues- und Soulsänger seine erste CD produzierte, weiß er heute genau, worüber er singt. Und das sei auch immer wieder eine Hymne auf Afrika, „wo die Leute zwar sehr arm sind, aber oft glücklicher als in Europa. Sie haben ihre Musik.“ So wie er: Ola Onabule, den man am Ende des Abends wie einen alten Kumpel umringt. Er kommt wieder, verspricht der charismatische Eroberer. Und die Potsdamer wissen, dass nicht jede Werbung, die mit Superlativen auftrumpft, übertrieben sein muss. Dieser lebenstrunkene Drive des wohl besten britischen Soulsängers sollte sich über die Konzertsäle in aller Welt ergießen. Heidi Jäger

Heidi JägerD

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