Kultur: Legenden umstrickt
Schiller in Potsdam 1804: ein Jahr vor seinem Tod
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Schiller in Potsdam 1804: ein Jahr vor seinem Tod Als Schiller am 30. April 1804 Potsdam erreicht, wird er mit einem Froschkonzert begrüßt. Die Freude daran, dürfte sich in Grenzen gehalten haben: schließlich liegt eine mehrtägige beschwerliche Fahrt mit der Postkutsche hinter ihm, die ihn tüchtig durchgerüttelt hat. Doch statt dieses unbequeme Vehikel flugs verlassen zu können, steht er nun mit seiner hochschwangeren Frau und den zwei Söhnen vor verschlossener Tür. „Als wir spät in der Nacht, gegen 12 Uhr an die Thore Potsdams kamen, waren diese bereits geschloßen, und bis der Schlüßl des Stadt Thores aus der ziemlich entfernten Wohnung des Stadtkommandanten geholt worden, mußten wir vor dem Thore halten, wo uns unzählige Frösche ein Ohrenzerreißendes Concert gaben“, schrieb der damals zehnjährige Schiller-Sohn nieder. Diese Aufzeichnung scheint zu den wahren Begebenheiten des ansonsten mit Anekdoten gespickten zweimaligen Aufenthalts des Dichter-Stars in Potsdam zu gehören. Jedenfalls fand Michael Bienert, Autor des Frankfurter Buntbuches 39 mit dem Titel „Schiller in Potsdam 1804“, dafür auch anderweitige Belege. Nachdem jedenfalls Reisende und Gepäck kontrolliert waren, rollte die Kutsche am Stadtschloss vorbei zum Königlichen Postgebäude am Wilhelmplatz. Dort konnten die Pferde gewechselt werden. Das müde Haupt des Dichterfürsten ruhte indes „vermutlich im Gasthof ,Hotel de Prusse“ der Witwe Töpfer, laut Adreß-Calender ein Haus der ,1.Classe“, also ein standesgemäßes Quartier für einen Weimarischen Hofrat mit Adelsdiplom“, ist in dem 16-seitigen, reich illustrierten Büchlein des Frankfurter Kleist-Museums nachzulesen. Es befand sich gegenüber der Poststation, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Heute ragt dort ein Neungeschosser mit Reisebüro auf. Laut Schillers Kalender übernachtete die Familie zweieinhalb Wochen später, am 17. Mai 1804, wieder in Potsdam – auf der Rückreise von Berlin nach Weimar. Diesmal fanden sie allerdings bei einem Jugendfreund Schillers, Karl Ludwig August von Massenbach Unterschlupf, den er aus der Karlsschule in Stuttgart kannte. Während Massenbach unter Friedrich II. in die preußischen Militärdienste eintrat, ließ Schiller allen Drill hinter sich. Die Verehrung seines Schulkameraden ging ihm dabei nicht verloren: „Denn so oft ein neues Werk von Ihnen erschien; war ich wie der Blitz dahinter her und zündete das Oellämpchen meines Geistes an dem Feuer-Meer des Ihrigen wieder an.“ Gewohnt hat Massenbach und damit für wenige Tage auch Schiller in der Waisenstraße 32 am Kanal, an dessen Stelle sich heute der Landesrechnungshof befindet. Als im Jahr nach Schillers Tod die Truppen Napoleons die preußischen Armee überrannten, verhinderte Massenbach sinnloses Blutvergießen, was ihm damals allerdings als Verrat ausgelegt wurde. Der eigentliche Reisegrund Schillers war natürlich die Stadt Berlin, mit der er schon als junger Mann liebäugelte. Jetzt wurde er dort nicht nur mit Ovationen gefeiert und mit einer Audienz bei der Königin „hofiert“, er fand auch in dem Direktor des Königlichen Nationaltheaters, August Wilhelm Iffland, einen Fürsprecher, der ihn als Hausautor und Berater dauerhaft nach Berlin holen wollte. Doch es sollte nicht zu den Verhandlungen mit der preußischen Regierung kommen: „Ich war 8 Tage in Berlin krank und für alles verdorben“. Ein Jahr vor seinem Tod hatte Schillers Gesundheit bereits so stark gelitten, dass er die Strapazen der Reise nicht einfach wegstecken konnte. Ein oft erwähntes Frühstück Schillers mit dem Königspaar auf Sanssouci verbannt Bienert ins Reich der Legende, denn weder Schiller noch seine mitteilungsfreudige Frau hätten je ein Wort darüber verloren. Dabei wäre es doch die Krönung der Reise gewesen. Eine Begegnung mit den Monarchen hätte sich nur am Abend vor der Abreise im Potsdamer Schauspielhaus zugetragen haben können, so Bienert. Überhaupt sei die „Schauspielerkaserne“, wo mit ihm bekannte Darsteller aus Berlin übernachteten, das einzig erhaltene Baudenkmal aus Schillers Zeit in Potsdam, zu dem sich eine unmittelbare biografische Beziehung aufspüren ließe. Und dieses Haus in der Posthofstr. 17 verfällt – trotz Denkmalschutz. Daran ändert auch nichts Schillers heutiger 200. Todestag. H. Jäger Das Buntbuch, Kleist-Museum, Faberstraße 7, 15230 Frankfurt /Oder, 5 €.
H. Jäger
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