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Kultur: Leidenschaft

Franz Günthner in der Erlöserkirche

Stand:

Orgelmusik und Leidenschaft. Diese zwei auf den ersten Blick wesensfremden Begriffe hat der Organist Franz Günthner in seinem Konzert am Mittwochabend auf beeindruckende Weise zusammen geführt. Der Kirchenmusiker präsentierte innerhalb des Internationalen Orgelsommers an der neobarocken Schuke-Orgel der Erlöserkirche eine Mischung aus französischer und deutscher Orgelmusik, von Bach über Jehan Alain bis Naji Hakim. Günthner ist Organist und Kantor des prachtvollen barocken Marienmünsters in Dießen am Ammersee in Oberbayern. In diesem Gotteshaus ist er für die weit über die Grenzen Dießens populären Münsterkonzerte verantwortlich. Immer wieder wird er von seinen Kirchenmusikerkollegen in ganz Deutschland eingeladen, um seine Orgelkunst woanders erlebbar zu machen.

Nun also in der Potsdamer Erlöserkirche. Der klar und doch herb klingenden Schuke-Orgel wusste Günthner mit geschickten Registrierungen weitgehend einen warmen Wohllaut vor allem für die spätromantische Musik abzuringen.

Von majestätischen Klängen waren der Beginn und der Ausklang des Konzerts durchdrungen. Zunächst Johann Sebastian Bachs Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542. Günthner spielte die klar strukturierte Fantasie mit ihren kräftigen rezitativischen Passagen und den lyrischen Abschnitten sowie die beschwingte und vorwärts drängende Fuge geradezu leidenschaftlich bewegt, fast expressiv, ohne mit der Registrierung zu spielen. Die Zeitlosigkeit des Werkes konnte auch in dieser Interpretation dem Zuhörer bewusst werden. Als triumphales Schlussstück wählte Franz Günthner das Finale der 1. Symphonie des Pariser Spätromantikers Louis Vierne. Dessen Kompositionen stellen höchste Ansprüche an die technischen und musikalischen Interpretationsvermögen eines Organisten, nicht anders als Bach. „Der alte J. S. Bach, unser aller Vater, wäre zufrieden mit M. Vierne“, schrieb Claude Debussy über die Orgelmusik seines Kollegen. Günthner interpretierte das überschwängliche Virtuosenstück mit mancherlei Klangeffekten, in der Farbgebung jedoch nicht dick auftragend, er ließ ihm eine lichte Atmosphäre angedeihen, ganz dem Schuke-Instrument angemessen.

Nachdem das heiter beschwingte Concerto h-Moll des mitteldeutschen Barockkomponisten Johann Gottfried Walther verklang, widmete sich Günthner aus- schließlich französischer Musik des späten 19. und des 20. Jahrhunderts. In unseren Breiten ist sie teilweise unbekannt. Da hörte man ein etwas skurril anmutendes Scherzo des Spätromantikers Samuel Rousseau, ein charmant wirkendes Intermezzo von Théodore-César Salomé, der auch als Komponist von Stücken für das damals aufstrebende Harmonium hervortrat. Berühmt wurde die „Litanies“ des ungestümen und hochtalentierten im Zweiten Weltkrieg gefallenen Jehan Alain. Das anfangs gespielte Thema kehrt immer wieder, wandelt sich dabei stetig. Als Gebet verstand es der Komponist, das wie in einer Messe immer wiederholt wird. Der zwingenden Motorik des Stücks konnte man sich auch in der Interpretation Günthners nicht entziehen.

Auch ein französischer Zeitgenosse kam zu Wort: der 1955 geborene Naji Hakim, Nachfolger von Olivier Messiaen an der Eglise de la Trinité in Paris. Sein Salve Regina ist ein stilles, fast zärtliches Stück, in dem die Muttergottes angebetet wird, vielleicht auch insgeheim die Königin der Instrumente, die Orgel. Herzlicher Beifall war der Lohn der Zuhörer für Franz Günthner. Klaus Büstrin

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