Kultur: Lektionen eines Klangmalers
Auftakt zum „Caputher Orgelsommer“ mit Lothar Knappe
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Auftakt zum „Caputher Orgelsommer“ mit Lothar Knappe Nach dreißig Jahren Orgelabstinenz nehmen die Caputher das alt-neue Instrument der Orgelbaufirma Reinhard Hüfken nun allmählich auch in geistigen Besitz. Der „Caputher Orgelsommer“ in der Stüler-Kirche wird ihnen dabei helfen. Durch verschiedene Organistenhände und deren klangliche Vorstellungen soll das Instrument zudem auf das Erwachsenwerden vorbereitet werden. Zum Auftakt der saisonalen „Erziehungsarbeit“ nahm am Mittwoch Lothar Knappe, Lehrbeauftragter an der Universität der Künste Berlin und der Alma mater Potsdamiensis, auf der Orgelbank Platz. Auch er zeigte sich, wie Orgeleinweiher Thomas Noll am vergangenen Sonntag, als ein Generalist, der vom Frühbarock bis zur Moderne dem Instrument vollen Einsatz abverlangte. Es steht im Kammerton a“ (440 Hz) und ist von gleichstufiger Stimmung, was bedeutet, dass wie beim Klavier ein Ton wie der andere ist. Um den Barockglanz von Nikolaus Bruhns“ (1665-1697) Toccata e-Moll zu treffen, zog Lothar Knappe im Diskant scharf klingende Prinzipalstimmen, mit denen sich virtuose Attacke und Strahlendes besonders eindrucksvoll vorzeigen ließ. Nach dieser (Klang-)Pflicht folgte gleichsam die Kür, bei der er Soloregister ins hellste Licht rückte. Mit Choralbearbeitungen von Johann Nikolaus Hanff (1665-1712) war das gut möglich. Um die schmerzvolle Chromatik des „Ach Gott, vom Himmel sieh darein“ auszudrücken, verwendete er das Sesquialtera-Register, eine Farbkombination aus einem zweizweidrittelfüßigen Nassard und einer eindreifünftelfüßigen Terz, gekoppelt mit dem Tremulanten. Was sich kompliziert lesen mag, hörte sich jedoch überzeugend, regelrecht spannend an. Mit dem räumlich hochgestellten (aufgebänkten) Cornett-Register verlieh er dem „Wär“ Gott nicht mit uns" festlich-glänzende Züge. Um das Largo in der kapriziösen, mit Echowirkungen nicht sparenden F-Dur-Sonate von Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) besonders innig wirken zu lassen, verwendete der Organist das Salicional und die Koppelflöte. Wieder eine sehr reizvolle Klangfarbenmixtur. Wie man allein mit diversen Flötenstimmen für enorme klangliche Abwechslungen sorgen kann, zeigte die Registrierung der Sechs Stücke für eine Flötenuhr von Joseph Haydn. Um den Wachtelschlag (im Menuett) als ornithologisches Sahnehäubchen servieren zu können, war die vierfüßige Traversflöte gefragt. Für die anderen Kurzstücke voller mechanischer Grazie kamen außerdem Koppelflöte, Flageolett und Rohrflöte zu solistischem und gekoppeltem Spieleinsatz. Dann wieder war, in Ernst Köhlers (1799-1847) Fantasie über den Chor „Die Himmel erzählen“ aus Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, das volle Orgelwerk mit seiner erhebenden und ausladenden Klangpracht gefragt. Getragen bis freudig bewegt erklang das romantisch inspirierte „Tema variatio“ aus „Meditationen“ von Josef Rheinberger (1839-1901). Ätherische Stimmungen mit Echoeffekten bestimmten das Stück „Clair de lune“ (Mondlicht) von Sigfrid Karg-Elert (1877-1933), die durch Zungenstimmen plus Tremulant erzeugt wurden. Strahlend und kraftvoll zeigte sich das Fantasiestück „Trionfo della vita“ von Franz Wagner (1870-1929). Sozusagen einer Wiederholung alles bei dieser „Lektion“ Gelernten glich die Aufführung der Variationen über „Geh“ aus mein Herz“ von Andreas Willscher (geb. 1955). Um dem Publikum die Möglichkeit zu einer Befragung des Organisten zu geben, wurde plötzlich eine Pause eingeschoben. Üblich ist es, solchem Bildungsbedürfnis nach einem Konzert nachgehen zu können. Diese Zäsur war schlichtweg unnötig, geradezu störend.
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