Kultur: Letzter Gralshüter der Kultur Jubiläumsfest: 60 Jahre
Kulturbund Brandenburg
Stand:
Kulturbund Brandenburg Der Kulturbund, zu besten DDR-Zeiten eine Massenorganisation mit Sitz in der Volkskammer, und heute mit einer Vielzahl regionaler Orts- und Kreisgruppen so etwas wie der letzte Gralshüter der Kultur in Regionen wie dem Barnim, der Lausitz oder dem Fläming, ist in die Jahre gekommen, und mit ihm seine Mitglieder. „Der Kulturbund lebt“, war die aufmunternde Botschaft des Vorsitzenden Hinrich Enderlein, dem ehemaligen Kulturminister in Brandenburg, an die Festgesellschaft anlässlich des 60. Jubiläums im Alten Rathaus. Angesichts des vorgerückten Alters der Festgäste klang dieser Aufruf schon fast wie eine Frage. Unbestritten verfolgt der Kulturbund als Dachorganisation für jede im weitesten Sinne kulturelle Tätigkeit eine wichtige Aufgabe im Land. Wenn sich Numismatiker, Philatelisten, Wanderer oder Hobbyautoren treffen, bietet der Bund ihnen mit seinen Gruppen die Möglichkeit dazu. Doch die Überalterung, das demographische Damoklesschwert, schwebt auch über dieser Organisation. Enderlein konnte jedoch die Gründung einer „Stiftung Kulturbund“ ankündigen, die nun auch Projekte zur Nachwuchsförderung angehen werde. Die Mittel dazu stammen aus dem Verkauf eines Grundstückes in Bad Sarow. Dort war der letzte größere Besitz des Kulturbundes, dem einst sogar der renommierte Aufbau Verlag gehörte, der nach der Wende von der Treuhand privatisiert wurde. Enderlein fand in seiner Rede deutliche Worte zur gegenwärtigen Spardebatte in der Kulturförderung. „Durch die Ausgaben für die Kultur ist noch kein öffentlicher Haushalt ruiniert worden.“ Dazu seien die Ausgaben auch in guten Zeiten viel zu gering. Kein Haushalt sei zudem jemals durch die Streichung von Kulturmittel saniert worden, so der Vorsitzende. Er zeigte sich als heftiger Gegner einer Entwicklung, in der „Potemkinschen Dörfern“ einer Event- und Highlight-Kultur regelmäßig der Vorzug gegeben werde. Festredner Matthias Platzeck erinnerte an die große Leistung der Gründer vor 60 Jahren, nur wenige Tage nach Kriegsende durch die Organisation von Kunst und Kultur damit begonnen zu haben, die Schrecken des Krieges zu verarbeiten. Er sparte in dem Respekt, den er prominenten Namen wie Otto Nagel, Bernhard Kellermann und Hans Marchwitza zollte auch die „Höhen und Tiefen“ nicht aus, so die Säuberungsaktionen in den 50er Jahren. Auch sein eigener Werdegang wäre womöglich ein anderer ohne den Kulturbund. Die 1987 gegründete Arbeitsgemeinschaft Pfingstberg, in der Platzeck zusammen mit Wieland Eschenburg zum ersten Mal vor das Visier des Staates trat, durfte sich nur unter dem Dach des Kulturbundes zusammenfinden, ähnlich der ARGUS, der mit für die „Notwendigkeit einer politischen Wende" gesorgt habe. Sein Dank ging an die vielen ehrenamtlichen Helfer im Kulturbund, sie seien Vorreiter, die zum Mitmachen anreizten. Der Vortrag des Archivwissenschaftlers Hans-Joachim Schreckenbach über den Staats- und Verwaltungsaufbau in Brandenburg im Jahr 1945 bot einen Einblick in die akribische Beschäftigung mit Urkunden aus der Zeit, in der die sowjetische Besatzung die eigentliche Macht besaßen. Über die Gründungsgeschichte des Bundes war jedoch wenig zu erfahren. Über dessen Anfänge konnte dann aber die Schriftstellerin Ruth Kraft („Insel ohne Leuchtfeuer“) Auskunft geben. Sie erinnerte sich, wie ihr Roman über die Raketenforschung im Zweiten Weltkrieg in den 50er Jahren von der offiziellen Presse kritisiert wurde. „Wir mussten damals hart mit unserer Vergangenheit umgehen.“ Im Haus des Kulturbundes, der heutigen Villa Kellermann, wurde sie dennoch vorbehaltlos vom Humboldt-Club eingeladen. Sie erinnerte sich an offene und lebhafte Diskussionen. „Im Kulturbund“, so ihre Erinnerung, „war alles sehr, sehr persönlich.“ Zu Lesungen reiste sie von Perleberg bis Ückermünde, von Greifswald bis Leuna, wo der Bund oft eigene Häuser betrieb. In Potsdam, wo der Landesverband seinen Sitz hat, finden sich zwar einige der 3000 Mitglieder, jedoch keine Gruppen. Die Stärke des Kulturbundes zeigt sich aber in der Fläche, in den kleinen Orten. „In Wittenberge“, weiß der Vorsitzende Enderlein, „da haben wir Riesengruppen.“ Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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