Kultur: Lichtbringer an grauen Tagen
Barbara und Karl Raetsch in der neu eröffneten Galerie Burstert, Albrecht
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Barbara und Karl Raetsch in der neu eröffneten Galerie Burstert, Albrecht Von Götz J. Pfeiffer Regenwolken hängen über der Stadt. Graues Licht fällt fahl in die Straßen. Und der Wetterbericht sagt voraus, auch in den nächsten Tage bleibe es nass und ungemütlich. So seltsam es ist: Gerade bei Schmuddelwetter entfalten die Arbeiten des bekannten Potsdamer Malerehepaars Barbara und Karl Raetsch unbekannte Nuancen. Im schönsten Wortsinne mehr als ein Lichtblick ist ihre aktuelle Ausstellung, in der Galerie Burstert,Albrecht, die mit dieser Werkschau neu eröffnet. Wie die Maler sind auch die Galeristen keine Unbekannten in der Kunstszene der Stadt. 2000 waren sie mit ihrer in Berlin gegründeten Galerie Berliner Impressionisten nach Potsdam gezogen. Seitdem zeigten sie Kunst von 1870 bis 1930 in der Charlottenstraße. Ist die Neueröffnung am gleichen Ort kein Bruch? „Wir haben schon früher zeitgenössische Kunst gezeigt“, erinnert Galerist Reinhard Burstert an Schauen mit dem Schweriner Grafiker Hartwig Hamer und der Berliner Malerin Karla Gänssler. „Jede dieser Ausstellungen weckte bei uns mehr die Lust auf neue Kunst, auf Bilder unserer eigenen Zeit.“ Und sein Kollege Norbert Albrecht beschreibt den Weg zum neuen Konzept: „Was lag da näher, als nur noch zeitgenössische Kunst auszustellen? Von einem Grundsatz werden wir aber nicht lassen: die Bilder müssen vor allem uns selbst gefallen. Es soll gelten: Wir verkaufen immer mit stillem Bedauern.“ Auf der Vernissage waren erfreute Bemerkungen über die Verwandlung der alten Räume zu hören. Und wie gewohnt in der Galerie gab es auch Genuss für die Ohren. Vier Lieder zum Klavier, dabei Haydns augenzwinkerndes Lob der Faulheit, erklangen zur allgemeinen Freude. Und einen Tag vor der Vernissage hatte sich unerwartet die belgische Pianistin Sylvia Traey angeboten zwei Stücke als Hommage für die Maler zu spielen, von Schubert und von Mozart. Darüber vergaß man nur für den Moment die knapp 40 ausgestellten Arbeiten. Die gemischte Hängung von Ölbildern und Aquarellen darf als gelungen gelten. Nur eine kleine Trübung sind einige signalrote Rahmen, die ohne Recht mehr Aufmerksamkeit als die Aquarelle erheischen. Und da sind sie wieder, die weiten Landschaften der Malerin, die kleineren, pittoresken Studien ihres Mannes. Doch anders als in der Atelier-Kapelle werden mit Arbeiten aus den letzten Jahren jenseits des Genusses auch die Strukturen künstlerischer Entwicklung nachgezogen. Barbara Raetsch tendiert auf ihren meist querformatigen Ölbildern seit Ende der 1990er Jahre immer mehr zur Abstraktion. Während sich „Bei Langerwisch“ von 1999 noch schemenhaft ein Dorf abzeichnet, sich im „Kornfeld 1“ von 2001 die roten Kleckse als Mohn erkennen lassen, gerieten ihr „Im Nebel“ aus dem gleichen Jahr zu einer Studie in toniger Malerei, lotet ihr „Oktober“ von 2003 als fast monochrome Studie vielfach gemischte Rottöne aus. Nur die Bestätigung dieser Richtung ist, dass sie unter die „Sonnenblumen“ von 2002 auch einige gegenständlich wiedergegebene Pflanzen stellte. Zum Horizont löste sie die Strukturen in Farbflecke auf, eine ungekünstelte Wiedergabe flirrenden Lichtes über Hitze gesättigtem Land. Das Licht als eigentliches Thema ihrer Bilder thematisiert die Malerin mit einem Goethewort in „Über allen Gipfeln ist Ruh“ von 2002. Fern geht hinter einer Hügelkette ein gleißend helles Licht auf und lässt die weiteLandschaft im Vordergrund schattenhaft versinken. Wäre der Titel nicht, könnte man diese Arbeit genau so als abstrahierende Studie auffassen wie „Licht“ von 2003, eine der jüngsten Arbeiten der Ausstellung. Wie dort das Licht gleichsam materiell wird und die Gegenstände entmaterialisiert, wird man unmittelbar an Bilder William Turners erinnert. Mit dem Unterschied, dass die atmosphärische Farbmalerei von Barbara Raetsch erschwinglicher zu haben ist. In der seit Jahrzehnten geübten Aquarelltechnik zeigt sich Karl Raetsch immer wieder als Maler. Doch anders als bei seiner Frau, scheint keine Zeit zwischen seinen Arbeiten zu liegen, wirken die „Ferien 1“ von 1982 mit Stehenden am Meeresstrand genau so frisch wie die „Strandläufer“ von 2003, der „Reiter am Strand“ ebenso nach dem Leben wiedergegeben wie die „Segelboote“ oder die „Regenwolke“ von 2002. Darin ist mehr als künstlerisches Handwerk und die Erfahrung von Jahrzehnten. Da wird der immer wieder am Alltäglichen geübte Blick, das malerische Auge spürbar, das die Welt als Motivschatz vor sich sieht. Und arbeitet der Maler auch farbiger als seine Frau, leuchtet dem Auge auch aus seinen Arbeiten immer wieder das Licht entgegen. So erstrahlen die neu eröffnete Galerie und die immer wieder sehenswerten Arbeiten von Barbara und Karl Raetsch „In neuem Licht“ - wie der Ausstellungstitel zu Recht verspricht. Bis 13. März in der Galerie Burstert, Albrecht, Charlottenstr. 24. Di-Sa 11-18 Uhr.
Götz J. Pfeiffer
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