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Musizieren zum Fest

© Repro Cover

Kultur: Lichterfeste

Esther Kinskys „Eines Abends im Winter“

Stand:

Dieses alte Mietshaus ist voller Klänge. Gerade jetzt in den dunklen Stunden dringen aus allen Stuben warme erhellende Lieder. Fremde und bekannte. Die drei schwarzen Katzen Kalman, Schwartzie und Franz sind ganz Ohr, um den festlichen Gesängen zu lauschen. Und sie nehmen ihren ganzen Mut zusammen, um auf die hohen Mauern zu springen und einen Blick in die erleuchteten Wohnzimmer zu erbeuten. Da sehen sie, wie ein Junge mit blondem zerzausten Haar polternd in die Tasten des Klaviers haut, als sei ihm ein Hund auf den Fersen. In einer anderen Wohnung streicht ein bezopftes Mädchen mit geschlossenenen Augen zart auf den Saiten ihrer Viola.

Esther Kinsky spannt in ihrer Geschichte „Eines Abends im Winter“ schon mal den Schimmel an, um mit ihren kleinen Lesern rechtzeitig am Festtagstisch zu sitzen. Sie lässt in ihrer Katzen-Odyssee gleich drei Lichterfeste funkeln: das indische Diwali, das jüdische Chanukka und Weihnachten. Die Autorin erzählt wie nebenher von den verschiedenen Gepflogenheiten, die sich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. Man isst an allen drei Festtagen Süßigkeiten, singt oder macht Musik. Und feiert die guten Dinge, damit sie stärker sind als die schlechten. Am meisten freuen sich die Kinder natürlich auf Geschenke, egal hinter welcher Tür des Multi-Kulti-Hauses sie zu Hause sind.

Die im Verlagshaus Jacoby Stuart erschienene kleine poetische Geschichte ist mit liebvoll gemalten Bildern illustriert, die die Worte wunderbar weitertragen und in schillernde Farben tauchen. Da sieht man Frau Patel in ihrem Rot leuchtenden Sari mit buntem Zuckerwerk über die Straße gehen, schaut auf eine Mutter, die an der Menora, dem achttarmigen Leuchter, ihr Baby in den Schlaf wiegt oder auf einen Mann, der rote Kerzen in den Tannenbaum steckt. Der Geruch von Krapfen, Zimt, Kartoffelpuffern und Brathähnchen weht dem Leser förmlich aus den Buchseiten entgegen.

Noch tiefer tritt man in diese so vielgestaltige Lichterwelt ein, wenn man die beigefügte CD hört, die die Singakademie Potsdam mit Musikern aus aller Welt seelenvoll besang und bespielte. Da gibt es die melancholische Weise „Lakshmi Dhyaan“, die den Orient heraufbeschwört, den ruppigen Poltergeist „Knecht Ruprecht“ von Robert Schumann oder das munterfröhliche Lied „Ikh bin a kleyner Dreydl“, bei dem man gleich die Wiederholungstaste drücken möchte.

Einzig die Sprechstimme von Esther Kinsky trübt den Hörgenuss: Sie zieht die Silben wie Kaumgummi, so dass dem Zuhörer ganz schläfrig zumute wird: Schon vor dem zu Bett gehen an diesem so festlich geschmückten Lichterbaum.

Heidi Jäger

„Eines Abend im Winter“, mit Bildern von Sarah Fricke und einer CD der Singakademie Potsdam mit zwölf weihnachtlichen Liedern aus aller Welt, 16.95 Euro

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