zum Hauptinhalt

Kultur: Lichtfängerin

Anne Gottwalds stille Bilder in der Bibliothek

Stand:

Es ist wie ein flirrender Sonnengruß. Das warme Gelb-Orange der Bilder breitet einladend die Arme aus und tritt doch im gleichen Moment einen Schritt zurück. Zaudern, Verharren, Vorwärtsschreiten. Anne Gottwalds Bilder sind geheimnisvoll. Ein zarter Schleier liegt über die zerbrechlich wirkenden Figuren, die sich um Balance bemühen und doch den Sturz in sich tragen. Ihre „Lichfängerin“ schält sich elfengleich aus dem Untergrund heraus, versucht die Quelle zu fassen. Sie ist wie eine Fata Morgana: schön und voller Illusion, doch nicht zu greifen.

Die in der Stadt- und Landesbibliothek gezeigten Bilder und Collagen der in Borkheide lebenden Malerin wirken wie goldene Blätter, die im Herbstwind schweben und schon bald verschwunden sind.

Die kleine Schau hadert im leisen Zwiespalt: Während sie auf der einen Seite mit Wärme frohlockt, regiert auf der anderen die Kühle des Blaus und das harsche Weiß. „Ewiges Eis“ spiegelt im frostigen Dunst die Spitze einer verschneiten Pyramide. In „Albtraum“ bekommt die erstarrte Seele ein Gesicht: eine Frau mit geschlossenen Augen wird aus dem Licht nach unten gezogen: verloren, versunken.

Die 1942 bei Chemnitz geborene Textildesignerin, die 1996 den Tod ihres Mannes, des Künstlers Jürgen Schwenzer, zu verkraften hatte, greift auch in ihren Öl gemalten Bildern zu „Stoffen“, die atmen. Wie in ihrer „Arche“, in der sich ein Paar schwebend auf einer Mondsichel aneinanderschmiegt, in die Ferne entrückt. Es ist ein Schmerz, der nicht schreit, eher lautlos bedrückt und doch eine Sehnsucht in sich trägt.

Seit Jahren schon fühlt sich die Künstlerin, die an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg studierte und seit den 80er Jahren in Brandenburg wirkt, zu den Dichterworten Rilkes hingezogen. „Die Stufen, die auf ein Wunder warten“ inspirierten sie zu einer beeindruckenden Komposition: zu einer wundersamen Verrückung freier Formen. Über die Stufen mit ihren harten Kanten bahnt sich das Licht seinen Weg: aus dem moosigen Grün über das blutvolle Rot hinein ins reine Weiß. Ein Bild zum Versinken. Wie auch ihr „Neujahr“ 2005, das den Betrachter wie eine aufschäumende Gischt mit sich reißt: Es brodelt in dem Weiß, das das Schwarz unter sich begräbt. Heidi Jäger

Die Ausstellung ist bis zum 10. Dezember in der Stadt- und Landesbibliothek zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })