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Kultur: Liebe, Beschneidung und andere Turbulenzen

Eine liebevolle Komödie über Teenagerliebe und jüdische Traditionen auf dem Jüdischen Filmfestival

Von Sarah Kugler

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Im Kampf um die Liebe ist alles erlaubt. Erst recht wenn der Liebende erst 12 Jahre alt ist und gegen seinen eigenen Vater als Rivalen antreten muss. Wenn der einen dann auch noch zu einer religiös motivierten Beschneidung überreden möchte, nicht weiß, ob er sich nun endgültig von der Mutter trennt und die Freunde derweil einen weisen Liebesrat nach dem anderen parat haben, ist das Chaos komplett. Mit dem Film „Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut“ ist Regisseurin Viviane Andereggen eine leichte Coming-of-Age-Komödie gelungen, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt – die Liebe des Protagonisten dafür umso mehr. Am Sonntag war der Film im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals Berlin Brandenburg im Filmmuseum Potsdam zu sehen.

Im Leben von Simon (Maximilian Ehrenreich) ist gerade alles instabil: Die Mutter (Lavinia Wilson) ist ausgezogen, um endlich ihren Erotikroman fertigzustellen, der Vater (Florian Stetter) stürzt sich derweil tief in die jüdische Religion und knippst am Schabbat nicht einmal mehr das Licht an. Außerdem möchte er, dass Simon sich vor seiner Bar-Mizwa noch beschneiden lässt – ein Thema, das bei den Eltern immer wieder zu Streitgesprächen führt. Doch das alles gerät in den Hintergrund als die neue Rabbinerin Rebecca (Catherine De Léan) auftaucht, in die sich Simon sofort verliebt – doch auch sein Vater scheint angetan. Somit schmiedet Simon Eroberungspläne, während seine Mutter ihn zu einer Selbsthilfegruppe für Opfer von Genitalverstümmelung schleppt und der Vater eine kleine Klagemauer für die Gemeinde baut.

Andereggens Langfilmdebüt überzeugt vor allem durch seine sympathischen Darsteller, allen voran Maximilian Ehrenreich, der den jungen Teenager Simon mit all seinen pubertären Sorgen sowie der Zerrissenheit zwischen traditionellem und modernem Judentum sehr glaubhaft spielt. Besonders die unglückliche Verliebtheit seines Charakters gibt er einfühlend, ohne dabei ins Theatralische abzudriften. Überhaupt schafft es der Film, die Liebe des Teenagers trotz ihrer Aussichtslosigkeit ernst zu nehmen. Ohne das Thema ins Lächerliche zu ziehen oder gar im Kitsch zu versinken, darf Simon die ganze Palette an Gefühlen eines Verliebten durchleben: Von verzückter Sprachlosigkeit über rasende Eifersucht bis hin zum schmerzhaften Abschied.

Der Film bleibt dabei stets in der Perspektive seines Protagonisten, zeigt seine Liebe ohne abgeklärten Blick der Erwachsenen. Diese Stärke des Films lässt so manche andere Schwäche vergessen. Etwa die etwas überzeichneten, klischeebehafteten Figuren der Erwachsenen oder die überzeichnete Darstellung der Beschneidungsgegner, die Oden an ihre Vorhaut schreiben oder in ein Peniskostüm schlüpfen müssen, um ihre Beschneidung ertragen zu können. Bei der Diskussion des Für und Wider steht der Film stärker auf der Seite der Tradition. Trotzdem: Dank der Darsteller, die ihre Charaktere ernst genug nehmen, um nicht in die Lächerlichkeit abzurutschen und des frischen, teilweise ironischen Tons ist Viviane Andereggen ein kurzweiliger Wohlfühlfilm gelungen. Sarah Kugler

Wiederholung heute um 19.30 Uhr im Brandenburger Theater und am Dienstag um 20 Uhr im Filmkunst 66, Berlin.

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