
© Manfred Thomas
Kultur: Liebeserklärungen
Das Festkonzert der Kammerakademie Potsdam zum Zehnjährigen
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Was schenkt man einer Zehnjährigen, die auf den Namen Kammerakademie Potsdam hört, zum Geburtstag. Rote Rosen? Die verwelken zu schnell. Spielzeug? Die hat es schon: von der Geige bis zum Xylophon. Doch Patenonkel Martin Gorholt, seines Zeichens Kulturstaatssekretär des Landes Brandenburg, weiß um das ultimative Präsent – eine bereits fest terminierte Einladung zum kulturpolitischen Kaffeekränzchen mit seiner Chefin Sabine Kunst. Da werden sich Jubelkinder wie Betreuerteam, denen er ein Höchstmaß an Kreativität bescheinigt, aber freuen, wenn sie so aus erster Hand Dinge erfahren, die für ihr weiteres Wohlergehen nicht unerheblich sein dürften. Inzwischen bekenne sich das Land „ohne Wenn und Aber zur Kammerakademie, dem Hausorchester des Nikolaisaals“, so der Frohebotschaftsüberbringer. Und auch Stadtvater Jann Jacobs weiß laut eigener Laudatio mittlerweile, dass die Musiker „das kulturelle Leben in Potsdam bereichert haben“. Wie sehr, das bewiesen sie am Freitag im Nikolaisaal beim Festkonzert „10 Jahre und eine Nacht mit der Kammerakademie“, die sich zu einer tropenwarmen, preußisch-frankophonen Sommernacht weitete.
Was wäre dazu besser geeignet als Felix Mendelssohn Bartholdys stimmungsvolle „Sommernachtstraum“-Musik, aus der das Geburtstagskind eingangs einige bekannte Nummern spielte. Chefdirigent Antonella Manacorda, so stand nach bisherigen Hörerlebnissen mit ihm zu erwarten, würde sie auf unkonventionelle Weise ausdeuten. Er enttäuschte nicht. In der Ouvertüre beschwören flink wispernde Elfen per duftig ausgebreitetem Streicherklang sommernächtliche Traumwelten, in die abrupt und fortissimo schmetternder Festjubel einbricht. Das Geheimnisvolle ist wie weggeblasen, das Romantische sozusagen in grelles, Schlagschatten werfendes Scheinwerferlicht getaucht. Arme Poesie. Nach dramatischen Ausbrüchen der Liebesgefühle folgt ein inniger Abgesang. Die Poesie ist versöhnt. Dann Auftritt Wilhelm Matejka, Programmchef von rbb-Kulturradio, der als Moderator dem Publikum die erklingenden Werke nahe zu bringen trachtet: „Worum geht’s?“ Wir erfahren es nicht nur hier in knapp gefassten, wissensvermittelnden Worten. „Antonello Manacorda – darf ich Sie bitten?!“ Fast eilfertig legt der Maestro den Weg zum Dirigentenpult zurück, um die weiteren Sätze hoch konzentriert und in präziser, körperbetonter Zeichengebung musizieren zu lassen. Es pulsiert unaufhörlich in höchsten Drehzahlen (Scherzo), träumt „andante tranquillo“ von Liebe.
Von solchen Sommernächten erzählt auch Hector Berlioz in sechs Gesängen der „Les Nuits d’Eté“ eine Menge über das Verhältnis von Liebe und Tod. Die mittlerweile zum Mezzo mutierte Sopranistin Barbara Hendricks trägt sie vor. Leider hat die Zeit unüberhörbare Spuren an ihren einst so pianoleicht und lieblich tönenden Stimmbändern hinterlassen. Mit starkem Vibrato sucht sie ihrer Stimme sinnliches Leuchten wiederzugewinnen. Für die Standing Ovations bedankt sie sich mit zwei Zugaben, darunter der eindringlich, a cappella vorgetragenen Gospelvariante „We shall overcome“. Zuvor ist ihr die Kammerakademie ein aufmerksamer, anpassungsfähiger und klangeschmeidiger Begleiter. Auch in der abschließenden „L’Arlésienne“-Suite von Georges Bizet wissen die Musiker mit klangschlankem, straff artikuliertem, energiegeladenem, durchsichtigem Spiel zu begeistern. Nach pausenlosen zwei Stunden ist das Fest der Klänge beendet. Nun kann die Party in Foyer, Hof und vor dem Haus beginnen.
Peter Buske
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