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Kultur: Liebesgeschichte mit viel Worten

fabrik präsentierte mit der Premiere von „Die Versungene“ sprachreiches Tanztheater

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fabrik präsentierte mit der Premiere von „Die Versungene“ sprachreiches Tanztheater Von Marion Hartig Die Geschichte beginnt mit dem Liebenden, dem Troubadour Jaufre Rudel de Blaye. „Sein Schloss blickt aufs Meer", erzählt die warme Frauenstimme aus dem Off, „auf das ruhige, schäumende, romantische, wilde, verschlingende, Tote bergende, gierige, unberechenbare Meer“. Eine schlanke Frau steht auf der Bühne, in anliegendes, elegantes Schwarz gekleidet. Langsam, ganz langsam sinkt sie in die Knie, bäumt sich auf, wenn das Meer sich aufbäumt, seufzt, stöhnt, wenn das Meer zum Totenverschlucker oder zum Gewässer der Wollust wird. Minutenlang reiht die Stimme die Attribute aneinander. Begleitet von den ausdrucksstarken Bewegungen der Frau. Worte und Körpersprache. Ganz eng haben Judica Albrecht und Anja Hempel in dem Tanztheater „Die Versungene", das am Wochenende in der fabrik Premiere hatte, Sprache und Bewegung miteinander verwoben. Einfühlsam und gekonnt erzählen die Künstlerinnen die drei Variationen des Lebens von Troubadour Prinz de Blaye, dem edelmütigen, mittelalterlichen Ritter, der sich in die Comtesse de Tripoli verliebt. Auf einem Schiff reist er zu ihr, wird liebeskrank und stirbt in ihren Armen. Judica Albrecht, die Schauspielerin, besticht mit ihrer tiefen, klaren Stimme, Anja Hempel, die Tänzerin, beschreibt mit kunstvoller, geschmeidiger Körpersprache. Das Zusammenspiel der Darstellerin harmoniert hervorragend. Das Publikum bekommt spannendes Tanztheater zu sehen. Auch wenn das Stück an einigen Stellen hakt. Die Ausgangsgeschichte des französischen Gegenwartsdichters Jaques Roubaud ist schnell erzählt. Der Ritter ist tot, die Comtesse macht sich aus Trauer zur Nonne. Ein zweiter Schreiber aber hat die Geschichte ganz anders aufgezeichnet, spinnt das Stück die Sage weiter. Ein Engel taucht auf und gibt der Trauernden und ihrem verstorbenen Prinzen eine zweite Chance. Der Prinz wird wieder zum Leben erweckt. Nur kann er sich leider nicht an seine große Liebe erinnern. Die Schauspielerin erzählt, die Tänzerin mimt den sich abwendenden Troubadour und die verzweifelte Frau, die sich vor unerfülltem Verlangen krümmt, über den Boden schleift, nach Luft ringt. Bis auf den Höhepunkt dramatischer Überspitzung treibt die Tänzerin das Spiel. Schwarzer Humor ohne Ende, der an einigen Stellen auch in abgeschwächter Form durchaus seine Wirkung erzielt hätte. Noch kann das Publikum dem Geschehen auf der Bühne folgen, doch das wird zunehmend schwieriger, denn: Die Darstellerinnen springen von einer Rolle in die andere, mal übernimmt die Tänzerin, mal die Schauspielerin den Part der Comtesse, der Lady Agatha, die 1834 auftaucht, ihres Vaters oder der Erzählerin. Das Spiel wird unruhig. Die Fäden der Story verwirren sich – auf Kosten der Verständlichkeit. Gegen den Rollentausch spricht auch ein ganz anderes Argument. Die Qualitäten der Künstlerinnen sind ganz klar verteilt. Weder bringt die Schauspielerin als Tänzerin noch die Tänzerin als Schauspielerin ebenbürtige Leistungen auf die Bühne. Choralisch kündigen die Erzählerinnen den dritten Teil der Geschichte an. Lady Agatha sucht nach der Wahrheit und stößt dabei auf ein Kloster. Immer absurder wird die Geschichte, ein Engel und Blanchet, die sich als unsterbliche Comtesse entpuppt, kommen ins Spiel. Das Stück beginnt zu schwächeln, in der Fast-Jetztzeit angekommen, fallen Begriffe wie „unbegabte Experimentierbraut" oder „Mörderschwein", die so gar nicht in das sprachlich sehr einheitliche und überaus gewählte Gesamtbild passen wollen. Bis dahin rezitiert das Künstlerduo anspruchsvoll, greift auf Texte von Döblin und Hoffmannsthal zurück. Es wird hektisch, minutiöse Daten wie 13:66 Uhr geben den Erzählrhythums vor, die dahinterstehende Komik allerdings bleibt ohne erklärbaren Zusammenhang. Erst der Tod bringt wieder Ruhe. Die geschockte Lady Agatha stolpert in den Klostergraben und ertrinkt, erzählt die Schauspielerin. Die Tänzerin tanzt. Es ist still. Das Licht geht aus. Das Stück ist an seinem Anfang angekommen.

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