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Von Klaus Büstrin: Liebesknochen vom Hofkonditor

Der Wolbern Verlag Babelsberg veröffentlichte das Buch „Das Café Rabien mitten in Preußen“

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Das erste und letzte Erlebnis bei Rabiens in Potsdam sind die Liebesknochen. Vor allem der Name war für den Achtjährigen verführerisch. Dann auch der Schokoladenüberzug. Doch das Knocheninnenleben, die Creme, schmeckt nur süß. Das war 1952. Noch im selben Jahr verlassen Rabiens Potsdam und gehen nach Westberlin. Am Café, das am Brandenburger Tor zu finden ist, kann man auf einem Plakat lesen: „Mit der Übergabe an die HO unterbrechen wir die alte Tradition unseres Hauses. Wir sagen allen Potsdamern ein herzliches Auf Wiedersehen.“ Wer einen Liebesknochen oder einen Baumkuchen aus dem Hause Rabien von nun an genießen wollte, muss nach Steglitz fahren. Und so mancher ältere Potsdamer Rentner macht auch während der Mauerzeit Station im berühmten Café. Doch das versprochene Potsdamer Comeback ist bis heute ausgeblieben. Der Wolbern Verlag Babelsberg stellt nun „Das Cafe Rabien mitten in Preußen“ als Buch vor. Der Autor Wolfgang Bernschein versucht auch , mit einer reichhaltigen Fotoauswahl die Geschichte dieser einstigen Potsdamer Konditorei und des Cafés lebendig werden zu lassen. Und in dieser Hinsicht ist ihm die Veröffentlichung gelungen.  Bernschein lässt in die Rabien-Historie viel Potsdamer Geschichte einfließen. Bis 1933, so scheint es, sind die Quellen über die Familie sehr rar. DieRabiens nehmen nur einen marginalen Platz im Buchgeschehen ein. Der Atmosphäre der Residenzstadt oder der kaiserlichen Familie wird viel Raum gegeben. Allgemeine Potsdamer Kulturgeschichte füllt das Buch, die man auch in etlichen anderen Publikationen nachlesen kann. So bedient sich der Autor in seiner Beschreibung des alten Potsdam unter anderen bei Georg Hermann und seinem berühmten Buch „Spaziergang in Potsdam“ oder bei Ludwig Sternaux“ und Hans Kanias feuilletonistischen Betrachtungen.

Der erste Rabien, der nach Potsdam kommt, ist Ernst, der bei seinem Pflegevater in Oldenburg Konditor lernte. Doch wann er genau in die preußische Residenzstadt kommt, wird verschwiegen oder der Autor konnte es nicht in Erfahrung bringen. Man kann es nur erahnen, dass es um 1900 gewesen sein muss. In der Konditorei Kessner (heute Café Heider) am Nauener Tor kann Ernst als Konditormeister arbeiten. Nach dem Tod von Paul Kessner übernimmt er 1903 den Geschäftsbetrieb. Das Café Rabien wird geboren. Dem Chef verleiht man sogar der Titel Hofkonditor. Das Haus am Nauener Tor etabliert sich zum Anziehungspunkt für die Potsdamer, für Touristen sowie für die Ufa-Stars. Von den beiden Söhnen übernimmt Johannes Hugo das Geschäft, dessen Aufzeichnungen in dem Buch immer wieder einfließen. Und mit diesen Erinnerungen gewinnt das Buch an Ausstrahlung. Wegen der Hypothekenkredit-Kündigung durch eine Versicherungsgesellschaft müssen die Rabiens aus dem Haus am Nauener Tor ziehen. Sie finden Räume am Brandenburger Tor. Dort bauen sie sich ein neues Café auf, überleben den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach. Die wirtschaftliche Situation wird wegen der Rationierung von  Lebensmitteln für private Geschäftsinhaber immer komplizierter. Der HO, die neu gegründete Handelsorganisation, gilt alle Unterstützung der DDR. Unter diesen Voraussetzungen wollen Rabiens keinen Baumkuchen oder keine Liebesknochen mehr in Potsdam backen. Sie gehen nach Westberlin. Und eröffnen eine Konditorei. Heute, so kann man in Bernscheins Buch lesen, bestehen Geschäftsbeziehungen zum Cafe Heider, dort, wo einst die Rabiens berühmt geworden sind.

Wolfgang Bernschein, Das Café Rabien mitten in Preußen, Wolbern Verlag, 19,80 Euro

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