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Psssst! Aber nicht weitersagen! Anke Orschinack alias Amor & Ophelia kann auch gut mit der Ironie.

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Von Dirk Becker: Liebeslieder

Anke Orschinack hat als „Amor & Ophelia“ ein Album herausgebracht, das vor allem Männer irritiert

Stand:

Ja, diese Augen. Sie sehen es ja selbst auf dem nebenstehenden Bild. In die kann man sich verlieren, oder versinken, wie so schön gesagt wird.

Auf dem Cover ihres ersten Soloalbums sind es nicht die Augen von Anke Orschinack. Es ist ihr Mund, dem da die Aufmerksamkeit gehört. Auch so schön kirschreifrot, aber geöffnet.

Da Anke Orschinack Sängerin ist, könnte man nun sagen, dass dies nicht ungewöhnlich ist, eine Sängerin mit geöffnetem Mund. Aber es ist schon eine spezielle, ja eindeutige Art, wie sie den Mund geöffnet hat. Eindeutig sexuell. Und dazu noch dieser Titel: „Intimpiercing“

Diese Augen! Dieser Mund! Und dann noch dieser Albumtitel! Anke Orschinack lässt Männer träumen. Und das sind keine jugendfreien Träume! Wenn man dann noch die Titelliste auf der Rückseite ihres Albums betrachtet, in den abgedruckten Liedtexten liest, werden diese Träume sogar noch befeuert. Oder man bekommt rote Ohren.

Frau Orschinack, was soll das alles?

Stopp mal, sagt Anke Orschinack und verdreht ihre schönen Augen. Nicht genervt und auch nicht böse. Eher ein wenig amüsiert darüber, dass ihr da wieder einer, ein Mann natürlich, auf den Leim gegangen ist.

Wir müssen da genau unterscheiden, sagt sie. Auf der einen Seite ist da Anke Orschinack, auf der anderen „Amor & Ophelia“.

Anke Orschinack, 27 Jahre alt, ist Sängerin, Musikerin und Schauspielerin. Geboren in Potsdam, hier aufgewachsen und zur Schule gegangen, studiert sie jetzt auch an der hiesigen Universität. Philosophie und Latein. Ihren Abschluss will sie bald machen. Aber ihr Herz gehört der Musik. „Das ist mein Plan A, mein Plan B und auch mein Plan Z“, sagt sie.

Seit zehn Jahren ist der bestimmende musikalische Faktor in ihrem Leben die Potsdamer Band Loosavanna. Drei junge Frauen und ein junger Mann. Vor zwei Jahren hatten Loosavanna ihr Debüt „RazzleDazzleDoubleTrouble“ veröffentlicht. Ein energetisches und selbstbewusstes Album. Melodiöser Rock, voller Spielfreude, auf dem jedes Lied klang wie ein kleiner Angriff auf das Musikgeschäft. Die Botschaft war klar: Jetzt mischen wir den Laden auf! Doch der erhoffte Durchbruch ist ausgeblieben.

Zur gleichen Zeit, als sie mit Loosavanna an „RazzleDazzleDoubleTrouble“ arbeitete, begann Anke Orschinack deutsche Liedtexte zu schreiben. So entstanden die ersten Ideen, die ersten Lieder für das Album „Intimpiercing“, das Anke Orschinack als „Amor & Ophelia“ in diesem Jahr herausgebracht hat. Und da liegt auch der feine, aber entscheidende Unterschied.

Die Künstlerin Anke Orschinack ist nicht mit ihrer Kunstfigur „Amor & Ophelia“ gleichzusetzen.

„Ich bin nicht nymphoman“, sagt Anke Orschinack mit Anspielung auf einen Titel von „Intimpiercing“, der auch als Single erschienen ist. Sie sagt es laut und lacht dabei. Man zuckt ein wenig zusammen, weil an diesem Nachmittag noch andere Gäste an den Tischen des Straßencafés im Holländischen Viertel sitzen, wo wir uns zum Gespräch getroffen haben. Man hat da so leise Befürchtungen, was diese anderen Gäste denken mögen über die Fragen, die der Kerl da der jungen Frau wohl stellt, dass sie solche Antworten geben muss. Und man ist froh, dass wenige Minuten später das Telefon von Anke Orschinack klingelt, sie rangeht und das Gespräch schnell beendet, indem sie laut und mit gespielter, selbstironischer Wichtigkeit sagt, dass sie gerade in einem Interview sei.

Singen Männer über Lust und Sex und prahlen dabei mit ihren Eroberungen und Abenteuern, ist das oft nicht einmal mehr ein Schulterzucken wert. Die können scheinbar nicht anders, das muss keiner ernst nehmen. Höchstens wenn es in der Wortwahl zu derbe wird, könnte das vielleicht noch ein Quäntchen Aufregung erzeugen. Singt aber ein Frau Zeilen wie: „Ich brauche nicht die ganze Nacht / Es ist in ein, zwei, drei, vier, fünf Stunden gemacht“ oder „Ich möchte keinen Millimeter von dir versäumen“, ist die Irritation perfekt. Was soll das? Warum macht die das? Ist die vielleicht wirklich sexbesessen?

„Der Refrain zu Nymphoman ist mir beim Yoga eingefallen“, sagt Anke Orschinack. „Ich bin nymphoman, stell dich nicht so an, du willst es doch auch ohne Herzschmerz“, heißt es da. Die Worte seien einfach in ihren Kopf gekommen. Und sie hat sich zusammenreißen müssen, dass sie nicht laut loslacht. Auch als sie später die Wort aufgeschrieben hat, musste sie den Kopf schütteln. Wie bescheuert ist das denn, habe sie gedacht. Aber sie hat den Zettel nicht weggeworfen. Denn da war so ein unbestimmtes Gefühl, dass sich vielleicht doch etwas daraus machen lässt.

Jeder kennt das, denn jeder hat hin und wieder spinnerte Gedanken im Kopf. Blödeleien, über da man im Inneren lacht und sie dann wieder schnell vergisst. Gedankliche Spielereien, ein Was-wäre-wenn. Anke Orschinack hat diese Spielereien weitergetrieben. Und sie hat daraus Texte gemacht, die auf den ersten Blick äußerst banal und auch ein wenig pennälerhaft daherkommen. Wer es aber dabei belässt, unterschätzt die Künstlerin Anke Orschinack.

Das „Intimpiercing“ beim ersten Hören vor allem von der Lust beherrscht scheint, war nie die Absicht von Anke Orschinack. Sie hat nicht nach dem Tabubruch gesucht oder die Provokation kalkuliert. Sie hat einfach eine Handvoll frecher Gedanken aufgegriffen und für ihre Kunstfigur „Amor & Ophelia“ Lieder geschrieben. Die hat sie dann in ein mal rockiges, mal in ein poppiges Gewand gesteckt. Den größten Teil der Instrumente hat sie selbst eingespielt. Und je öfter man die acht Lieder hört, umso deutlicher wird die feine Ironie mit der Anke Orschinack hier die Verhältnisse verkehrt.

Bei „Amor & Ophelia“ hat eindeutig die Frau die Hose an. Aber sie gibt sich dabei gekonnt kokett, bedient spielerisch den typisch männlichen Klischeewunsch von der liebestollen Frau und schickt den hörig gewordenen Kerl ganz fix mal auf die Knie und dann auch noch zum Wäsche waschen. Ja, Anke Orschinack hat es faustdick hinter den Ohren. Aber nicht so, wie es sich die meisten Männer wünschen.

Soll nun mit „Intimpiercing“ gelingen, was sie mit Loosavanna bisher nicht erreicht hat? Als der große Durchbruch?

Anke Orschinack muss lachen. So vermessen will sie nicht sein. Sie nimmt „Amor & Ophelia“ sehr ernst, aber nicht übertrieben ernst. Die Band Loosavanna ist immer noch ein bestimmender Faktor in ihrem musikalischen Leben, denn sie hat ihre eigenen Lieder nie als Anfang einer Solokarriere, sondern als eine Ergänzung verstanden. Aber es sind noch weitere bestimmende Faktoren hinzugekommen. Neben „Amor & Ophelia“ ist sie auch regelmäßig auf der Bühne des Theaterschiffs zu sehen. Für die Premiere von „Der Revisor“ im Oktober hat sie zusammen mit Bernhard Frese die Musik geschrieben. Und sie schreibt weiter deutsche Texte für künftige Lieder.

Da lächelt Anke Orschinack, sagt, dass die Lust darin nicht mehr so eine dominante Rolle spielen werde und schickt ein kurzes Zwinkern hinterher. Und man fragt sich, woher einem dieses Zwinkern bekannt ist. Später fällt der Blick noch einmal auf das Cover von „Intimpiercing“ und man stellt fest, dass das nicht nur dem Mund von Anke Orschinack gehört. Da ist auch dieses Zwinkern, das einem klar macht, dass hier vor allem Ironie im Spiel ist. Mann muss da nur richtig hinschauen.

Anke Orschinack ist mit „Amor & Ophelia“ am Samstag, dem 21. August, ab 19.30 Uhr im Lustgarten zu erleben. Weitere Informationen und Albumbestellung im Internet unter www.amorundophelia.de

Dirk Becker

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