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Nicht jedem behagt ein Dolch in der Hand. Orismondo (Carlo Allemano) und Giampetro (Federico Sacchi, r.) versuchen sich tapfer zu schlagen.

©  MPS

Kultur: Liebeswirren über Liebeswirren

Eine Wiederentdeckung: „Die Rache der Stellidaura“ im Hans Otto Theater

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Die Musikfestspiele haben seit Jahren mit wachem und leidenschaftlichem Interesse Opernwerke aus der Versenkung geholt. Man denke nur an die beiden Festival-Aufführungen des vergangenen Jahres: an Johann Peter Abraham Schulz‘ Singspiel „Peters Hochzeit“ und an „Proserpin“ von Johan Helmich Roman. 2014 versicherten sich die Potsdamer Musikfestspielmacher einer Opernausgrabung, die bereits vor zwei Jahren während der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik wieder ins Licht der Theaterbühne geholt wurde: „Die Rache der Stellidaura“ von Francesco Provencale. Die Inszenierung von François De Carpentries mit dem fast selben Sängerensemble, mit der Academia Montis Regalis, die zu den führenden Originalklangensembles zählt, mit den fantasie- und stimmungsvollen Kostümen und Bühnenbildern von Karine van Hercke wurden von Innsbruck übernommen. Maestro Alessandro De Marchi, der 2012 in Innsbruck die Oper vom Cembalo aus dirigierte, leitete auch die Wiederaufnahme in Potsdam.

Da das Schlosstheater im Neuen Palais derzeit saniert wird, wählten die Musikfestspiele erstmals in ihrer Geschichte als Aufführungsort das Hans Otto Theater. Für Musiktheateraufführungen erweist sich der Raum als günstig, können sich doch in ihm die Singstimmen und die Musikinstrumente klanglich gut entwickeln und die Töne ineinander überfließen. Die Musikfestspiele wählten die Oper des neapolitanischen Barockkomponisten aus, weil sie zu ihrem diesjährigen Thema „Mittelmeer zwischen Traum und Wirklichkeit“ großartig passt. Das Werk entstand 1674 in Neapel. Allerdings gerieten in den darauf folgenden Jahrhunderten sowohl das Werk als auch sein Komponist in Vergessenheit. Francesco Provenzale zählte im 17. Jahrhundert in der Stadt am Mittelmeer zu ihrem wichtigsten und produktivsten Komponisten, Kirchenmusiker und Opernkapellmeister. Mit den Elementen der Commedia dell‘arte und den Einflüssen der spanischen Theatertradition im damals unter spanischer Herrschaft stehenden Neapel war er gut vertraut.

Die Handlung ist eigentlich chaotisch, aber wenigstens in drei Sätzen soll sie erzählt werden: Prinz Orismondo verzehrt sich nach Stellidaura. Doch die liebt Orismondos Freund, den Hofritter Armidoro. Es entspinnen sich Liebeswirren en gros, Mordanschläge und Rachegelüste. Doch es gibt ein glückliches Ende. Der belgische Regisseur François De Carpentries musste tragische und komische Elemente, die der Oper eigen sind, unter einen Hut bringen. Jegliche inszenatorischen Experimente wurden dabei ausgeklammert. Dagegen wird die Geschichte konventionell und hübsch erzählt, ohne dass der Regisseur Übertreibungen in Sachen Seelenschmerz und Lustigkeit zuließ. Ambitioniertes Regietheater findet nicht statt, dafür zumeist gelungene Arrangements für stimmenfreundliche Auftritte. Und die bereiten den Zuschauern weitestgehend ein Hörfest. Da ist an erster Stelle die in Potsdam des Öfteren gastierende Raffaela Milanesi als Stellidaura zu nennen. Mit ihrem warmen timbrierten Sopran sorgte sie für eine sehr gefühlvoll berührende Innigkeit, ohne das Zupackende der Partie zu vernachlässigen. Ihre beiden Liebhaber werden von Carlo Allemano (Orismondo) und Adrian Strooper (Armidoro) verkörpert. Während Allemano ausdrucksstark sang und spielte, blieb Strooper weitgehend blass. Geläufige Koloraturen und stimmliche Sauberkeit waren an diesem Abend nicht seine Stärke. Die „lustigen Figuren“ waren mit dem Countertenor Hagen Matzeit (Armilo) und dem Bassisten Federico Sacchi (Giampetro) exzellent besetzt. Sacchi, der die Partie erst vor wenigen Tagen übernahm, wusste den im kalabrischen Dialekt singenden Diener wirkungsvoll zur Geltung zu bringen.

Alessandro De Marchis Dirigat ist ein Garant für hohe musikalische Qualität. Mit sicherem Stilgefühl und Verve wussten er und die Academia Montis Regalis die Partitur Provencales, die volkstümliche Melodien aufweist und die teilweise von exotischen Instrumenten gespielt wird, facettenreich zu musizieren. Auch in der Premiere am Samstag merkte man De Marchi an, mit welch großer Entdeckerfreude er bei der Sache war. Doch im zweiten Akt blieb die Konzentration auf der Strecke, denn die Koordination zwischen den Mitwirkenden im Orchestergraben und der Bühne war getrübt. Doch im Final-Akt kehrte der musikalische Glanz des Beginns wieder zurück. Viel Beifall gab es vom enthusiasmierten Festspiel-Publikum. Klaus Büstrin

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