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Kultur: Liebevoll, gemütlich, unreflektiert

Das Collegium musicum Potsdam mit Walter Kollos Operette „Drei alte Schachteln“

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Es könnte doch mal Operette sein. Ein Bekannter schlug Knut Andreas vor, sich mit dem von ihm geleiteten Sinfonieorchester Collegium musicum diesem Genre zu widmen, zumal diese künstlerische Farbe in der Landeshauptstadt seit Jahren fehlt. Der Dirigent ging auf die Idee ein und suchte nach einem passenden Bühnenwerk, das für ein Liebhaber-Orchester machbar und für eine szenische Umsetzung bezahlbar ist. Bei Walter Kollo wurde er schließlich fündig. Die Enkeltochter des Berliner Komponisten, Marguerite Kollo, beriet Knut Andreas und schlug vor, es doch mit der Operette „Drei alte Schachteln“ zu versuchen. Sie genießt zwar nicht die Popularität von „Wie einst im Mai“, aber die Walzer-Melodien, die Couplets, die Märsche, die man auch in „Drei alte Schachteln“ findet, sind Ohrwürmer. Für Sängerinnen und Sänger, für die Orchestermusiker hält Walter Kollo dabei anspruchsvolle Aufgaben bereit.

Rund 40 Operetten hat Kollo geschrieben, vor allem in den ersten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts. In manchen Jahren wurden sogar Bühnenwerke aus der Taufe gehoben. Die Geschichten, zu denen er die immergrüne Musik komponierte, sind zumeist in seiner Wahlheimat Berlin angesiedelt. „Drei alte Schachteln“ jedoch in Potsdam, um die Zeit von 1870 bis 1878. Sogar das Glockenspiel der Garnisonkirche mit „Üb immer Treu und Redlichkeit “ war zu vernehmen. In zwei Jahren wird Kollos Operette 100 Jahre alt. Vielleicht haben Knut Andreas und das Collegium musicum noch einmal die Kraft und den Spaß, die Produktion zu wiederholen. Denn die Nachfrage zu den beiden Vorstellungen war riesengroß: In die Biosphäre im Volkspark strömten am Wochenende rund 1000 Zuschauer.

Das war zugleich ein schöner Auftakt für das Jubiläumsjahr des Sinfonieorchesters. Vor 70 Jahren, also kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, gründete der Komponist und Dirigent Hans Chemin-Petit den Klangkörper, um nach dem Krieg mit Liebhabern schnellstmöglich das musikalische Leben in Potsdam in Gang zu bringen. Seit 1998 wird es erfolgreich von Knut Andreas geleitet. Die interessanten und farbigen Programme des Orchesters ziehen immer mehr Zuhörer an. Auch die erstmalige Beschäftigung mit der Operette haben ihm mit Sicherheit neue Freunde gebracht.

Walter Kollos Bühnenwerk erzählt von drei Frauen, die unter einem Dach leben, von den beiden Schwestern Ursula und Lotte Krüger und deren Dienstmädchen Auguste, die mit dem Älterwerden ihre Probleme haben. Lottes und Augustes Liebhaber, der Referendar Dr. Klaus Kersting sowie der Dachdecker Cornelius Hasenpfeffer, ziehen in den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Sie kommen erst nach acht Jahren wieder zurück, als die Damen annehmen, bereits „alte Schachteln“ und damit für einen Mann unattraktiv zu sein. Aber das erweist sich schließlich als Irrtum. Und wie bei der Operette üblich, gibt es für die Paare ein Happy End. Nur Ursula geht leer aus. Und das wird nicht hinterfragt. Auch der Krieg spielt hier nur eine Nebenrolle. Oder fand er in der halbszenischen Aufführung, die von Marguerite Kollo betreut wurde, nur keine Aufmerksamkeit? An Text-Aktualisierungen, die freilich manchmal fragwürdig sind, schien man ebenfalls nicht gedacht zu haben. Die Geschichte, die hier nur angedeutet werden konnte, ist aber in der Umsetzung allzu unreflektiert, bedient jedoch alle denkbaren Klischees. Dennoch wurde sie liebevoll, gemütlich und mit einer Prise Herzschmerz versehen.

Der Spielraum der minimalistischen Inszenierung, die sich reichlich in die Länge zog, verband Orchester mit den fünf Gesangssolisten sowie dem Damenquartett und diente unkompliziert dem Szenenwechsel. Man musste nur manchmal um die Ecke schauen, damit man das gegenüberliegende Geschehen mitbekam. Zwei Tische, Stühle, eine Gartenbank mussten für die Arrangements reichen. Denn es gab eigentlich nur Auf- und Abgänge, verliebte und enttäuschte Blicke, aber auch kesse Reden von Auguste und Cornelius. Die geschmackvollen Kostüme der Damen, die das Hans Otto Theater zur Verfügung stellte, zeigten einen kleinen Ausschnitt der Mode der Gründerzeit, in der das Stück spielt. Eine große Leinwand, auf der man geschickt geschmackvolle Interieurs und farbenprächtige Ballszenen projizierte, begrenzte den Bühnenraum.

Für das Collegium musicum war die Operette eine neue musikalische Erfahrung, der sich seine Mitglieder mit Engagement und mit Spiellaune widmeten. Am Pult hatte Knut Andreas alle Hände voll zu tun, um die Fäden zwischen Orchester und Solisten nicht reißen zu lassen. Er gab dem Ganzen den nötigen Schwung und auch die entsprechende melancholische Stimmung. Da alle Beteiligten mit spürbarer Lust bei der Sache waren und das Publikum scheinbar auch mit ebensolcher Lust dem Geschehen folgte, entwickelte der Abend in der Biosphäre einen nicht unbeachtlichen Charme. Ute Beckert als Lotte, Ilona Nymonen als Ursula, Oliver Uden als Klaus Kersting, Katharina Groth und Christian Theodiridis als Buffopaar Auguste und Cornelius sowie das Damenquartett mit Dorothee Barall, Birgit Wahren, Ulrike Schüler und Katrin aus dem Siepen konnten mit einer überzeugenden Bühnenpräsenz aufwarten. Ute Beckert, die den sängerischen Hauptpart zu bewältigen hatte, konnte mit ihrem hell getönten lyrischem Sopran für Glanzpunkte sorgen, aber auch mit charmantem Spiel. Oliver Uden gewann erst im Laufe der Vorstellung die gewünschte Lockerheit, bei der sein schön fließendes Tenormaterial zum Tragen kann. Katharina Groth gestaltete das Dienstmädchen in ihren Couplets mit schönen Buffo-Elementen, ihr gehörte mit „Ach, Jott, wat sind die Männer dumm“ auch die bis heute bekannteste Nummer des Werks.

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