Kultur: Lieder und Walzerklänge aus Österreich Soiree: Gabriele Näther und Gottfried Eberle
Wer denkt bei dem Titel „Lieder und Walzerklänge aus Österreich“ nicht an melodische Schmankerl, an Tanz und Gesang der seligen K. u.
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Wer denkt bei dem Titel „Lieder und Walzerklänge aus Österreich“ nicht an melodische Schmankerl, an Tanz und Gesang der seligen K. u. K. Monarchie?
Doch gerade darum ging es bei der Soiree von Gabriele Näther und Gottfried Eberle am Klavier im Alten Rathaus nicht. Die beliebte Potsdamer Sängerin präsentierte Kunstlieder des 20. Jahrhunderts von der zweiten Wiener Schule bis zur Avantgarde. Die Zuhörer hatten Gelegenheit, einige zeitgenössische österreichische Komponisten kennen zu lernen, von denen Ferdinand Weiß sogar angereist war.
Der Kreis rund um Arnold Schönberg brachte eine Reihe von stilistischen Neuerungen hervor, die sich gerade auch im Kunstlied manifestierten und doch ganz verschiedene Facetten besitzen. Allen gemeinsam ist eine höchst originelle und intensive Verschmelzung von Wort und Musik. Noch ganz der Spätromantik mit impressionistischen Anklängen verpflichtet sind die Walzerlieder von Alexander Zemlinsky. Charakterstücke im etwas schwülen Stil des Fin-de-Siècle, die Kammersängerin Gabriele Näther mit viel Verve vortrug. Gelegentlich sprengte das beeindruckend volltönende Volumen ihrer Stimme die Kapazitäten des kleinen Vortragsraums. Auch die beiden Lieder von Arnold Schönberg stehen noch in tonaler Tradition und prunken bei aller Knappheit mit berauschender Parfümierung. In den Liedern von Alban Berg geht der überaus bewegte Klavierpart mit dem Gesang eigenwillige Verbindungen ein, mal folgt die Stimme fast im Sprechgesang, mal wallen Stimme und Klavier im Wiegerhythmus, dann singt die Nachtigall in heftig prononcierten Tönen.
Es war interessant zu sehen, wie einige der modernen Komponisten an diese Traditionen anknüpfen, andere jedoch Lakonik, Understatement und Minimalismus bevorzugen. So wie die sehr knappen „Passages in the Wind“ op. 38 von Kurt Anton Hueber – musikalische Epigramme, reine Klangessenzen. Viel ausschweifender klingen Siegfried Steinkoglers „Schilflieder“ in einem opulenten, neomodernen Idiom voller musikalischer Zitate. Angenehm zurückhaltend, meditativ und farbenreich zugleich wirken die Lieder „Nebel im Wattenmeer“ und „Mysterium“ von Ferdinand Weiß. Diese Gesangsstücke nach Gedichten von Christian Morgenstern aus dem Zyklus „Durch manchen Herbst“ überzeugten künstlerisch und interpretatorisch. Etwas exzentrischer ging es in „Grab und Mond“ von Maximilian Kreuz zu, einer dramatisch zugespitzten Szene voll opernhafter Effekte. Ein wenig mehr lakonische Schlichtheit hätte den etwas überfrachtet wirkenden Gesangsminiaturen von Wolfram Wagner womöglich gut getan. Charmant kommentierte die anwesende Mutter des Komponisten: „Wer kennt schon die Gefühle seiner Söhne?“. Als grelle Groteske aus Parodie, Zitat und Walzersingsang erwies sich „Meine Welt ist bunt“ von Balduin Sulze. Mit dem unsterblichen „Pierrot, trag mich nach Haus“ von Robert Stolz zog Gabriele Näther einen spritzig-melancholisches Fazit der anregenden Soiree.
Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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