zum Hauptinhalt

Kultur: „Links wie nur irgendwas“

„RESIST!“ im Thalia / Mit Regisseur im Gespräch

Stand:

„RESIST!“ im Thalia / Mit Regisseur im Gespräch Eintausendfünfhundert begeisterte Zuschauer erlebten den Film „RESIST!“ letzten Sommer in Los Angelos, stehende Ovationen. Etwa ein Dutzend waren es am Donnerstag im Babelsberger Thalia, gut verteilt auf Hunderte Plätze im großen Saal. Zu lange her, was sich mit dem legendären „Living Theatre“ der heute 78-jährigen Gründerin Judith Malina und ihrem 1985 an Krebs verstorbenen Mitstreiter Julian Beck seit über 50 Jahren verband? Der 90-minütige Streifen erhielt den „CinemaEuropa Preis“ für „den besten Dokumentarfilm“ und wurde auch beim Golden Gate Festival in San Francisco ausgezeichnet, indes man ihn samt seines Schöpfers, dem Theatermann und Filmer Dirk Szuszies, im hiesigen Fernsehen ignoriert. Weil sich für die 2003 entstandene Produktion kein deutscher, sondern ein belgischer Geldgeber fand, wird sie auch von keinem einheimischen Verleiher vertrieben. Ist dieser Film über eine anarcho-pazifistische Eingreiftruppe politisch-theatralischen Zuschnitts wirklich so schlimm, so „subversiv“? Dirk Szuszies und seine Produzentin Karin Kaper, beide nach der Aufführung zu einem Gespräch bereit, wollten eine Hommage auf diese Theaterlegende und ihre Schöpferin Judith Malina machen, welche als Jüdin in Deutschland den Nazis entfloh und 1951 diese ideologische Konstruktion in New York begründet, „ein großes selbstbezogenes Kollektiv“, wie ein Handbuch des Freien Theaters es nannte. Ostentativ pazifistisch, also von niemandem geliebt, geht das Living Theatre an die politischen Brennpunkte der Welt, demonstriert in New York gegen die Todesstrafe, in Genua gegen den G 8-Gipfel, im Libanon wider die Gefangenenfolter. Zu Beginn des unkritischen Filmes sieht man die Gruppe, wie sie sich streichelt und liebt, es ist ja der Geist einer „Love-and-peace-generation“, wozu sich der joviale Filmmann noch heute bekennt. Später zeigt er die weltverändernden Straßenaktionen mit lauten Sprech-Chören („Kreislauf der Gewalt stoppen!“), lebenden Bildern und „circles“, Propaganda im Brackwasser der Aufklärung, Rousseau, Freiheit, aber außerhalb von kapitalistischen Kreuzzügen und Globalisierung. Schweißtreibend rackert man sich ab, nimmt Gefahren auf sich und fühlt sich doch wohl. Wer Malinas gewaltfreie Kriegsführung nicht mag, geht einfach weg. Das geschah, als man den Hisbollah im Libanon den Weg zum Frieden wies: „Auge um Auge“ macht beide Seiten blind! Das Living Theatre, unerwünscht in Israel, weiß eben, wo’s langgeht. Der Rest bedarf, ganz nach Kant, desselben Bewusstseins einer aufgeklärten Avantgarde. Revolutionärer Geist wohnt immer bei der Jugend. Den Linken ist Living zu pazifistisch, „die Konservativen verfluchen uns eh’“, sagte Szuszies beim Zehnergespräch im Café, danach. „Wir sind zwischen allen Stühlen“ – satte Sentenz. Er selbst war acht Jahre dabei. Judith Malina, „links wie irgendwas“, baut jetzt in der „Höhle des Löwen“ ein festes Theaterhaus, obwohl ihr die Juden der Ostküste grämen. Am Pazifik ist das ganz anders, dort hagelt es Preise auf den links-utopischen Geist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })