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Kultur: Lobgesang

Vocalise-Liederabend in der Friedenskirche

Stand:

Der große Lobgesang des 100. Psalm scheint musikalische Priorität zu haben. Jedenfalls in der Friedenskirche während der „Vocalise“. War am vergangenen Samstag die klangmächtige Vertonung Max Regers zu hören, so gab es am Dienstag eine intime Interpretation von Othmar Schoecks Komposition, die nicht minder von Lob und Dank durchdrungen ist. In einem Liederabend sang der Berliner Bariton Tobias Berndt, begleitet von dem Potsdamer Organisten und Dirigenten Tobias Scheetz, der die farbenprächtige Woehl-Orgel spielte.

Das Programm war ganz auf das weitreichende Thema der diesjährigen „Vocalise“ eingestellt: Psalmen und geistliche Poesie. Als „Vollender der Romantik“ wird der Schweizer Othmar Schoeck gern bezeichnet, doch gegenüber musikalischen Neuerungen, etwa in der Harmonik, war er stets aufgeschlossen. Den zeitlosen Charakter der Vertonungen der Psalmen 23 und 100 sowie einer eigenen Dichtung, die Schoeck ebenfalls Psalm nannte, mit ihrer stillen Nachdenklichkeit und dem erhebenden Jubel wusste Tobias Berndt mit seiner weichen und unaufgeregten Stimme trefflich Gestalt zu geben.

Dagegen wirkte des Sängers Konzert-Start mit sechs geistlichen Liedern von Ludwig van Beethoven, die dieser nach Gedichten des Dichters und Moralphilosophen Christian Fürchtegott Gellert komponierte, stimmlich noch etwas angestrengt und etwas zu vibrato-lastig. Berndt gab ihnen jedoch nicht die sonst bevorzugte pathetische Aufdringlichkeit, sondern eine insgesamt schöne Schlichtheit. Die überzeugende Interpretation der Lieder, deren Inhalt sich um Lob der Schöpfung, Anbetung und Gottvertrauen ranken, kam dennoch erst nach und nach zum Tragen, vollends beim Bußlied, weil hierbei Berndt den Abwechslungsreichtum differenziert zur Geltung brachte.

Den inhaltlichen Reichtum der alttestamentarischen Psalmen wusste auch Antonin Dvorak in seinen „Biblischen Liedern“ zu nutzen, die er in den USA komponierte und dabei den Klang seiner böhmischen Heimat immer in den Ohren hatte. Jedes Lied mit seinen unterschiedlichen Gefühlslagen präsentiert eine in sich abgeschlossene Welt. Dabei stellt jedes eine Facette im mannigfaltigen Dialog des Menschen mit Gott dar. Der sehr warmherzige und intensive Vortrag von Tobias Berndt, mit dem er das stille Leuchten der Lieder von Dvorak zum Ausdruck brachte, hatte dennoch einen Haken: Die deutsche Übersetzung, die er wählte, war nicht sehr adäquat, zu holprig begegnet sie der Musik. Doch an der Textverständlichkeit des Sängers war nichts auszusetzen.

Berndt stand mit Scheetz ein aufmerksamer und engagierter Partner zur Seite, der natürlich auch eine Orgel von Format spielte, mit der er seit Langem gut vertraut ist und mit der er feine Farbmischungen herstellte. Er spielte nicht in den Vordergrund, sondern bemühte sich mit der Singstimme eine ausgewogene Einheit zu bilden. Scheetz gab mit solistischen Orgelbeiträgen dem Abend einen zusätzlichen Reiz. Felix Mendelssohn Bartholdys Orgelsonate über den Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ und Sigfrid Karg-Elerts Orgel-Improvisationen zu demselben Choral und zu „Wer weiß, wie nahe mein Ende“ wurden in den Interpretationen des Organisten zu bewegenden Klangerlebnissen. Besonders die Stücke von Karg-Elert waren von einer Zartheit ohnegleichen, nicht verzärtelt, sondern als eindringliches leises Gebet. Klaus Büstrin

Nächstes Vocalise-Konzert am 24. November, 19.30 Uhr, Friedenskirche Sanssouci, Sacred Bridges

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